Eine schicke Bombe, die mit einem Sack Brennpunkte bedacht werden müsste, jeden Abend um 20.15 h im Ersten und Zweiten, haben die fleißigen Studienauswerter der unabhängigen Cochrane Review (www.cochrane.org) mal wieder ausgebuddelt, aus 20.000 Seiten Studienergebnisse zu den erfolgreichsten Grippe-Blockbustern. Aber keine Sorge: wir Anwohner werden damit nicht behelligt, sondern erfahren´s höchstens am Rande, unter „Vermischtes“ auf Seite 3 der wochenendlichen Wissenschaftsbeilage. Die echte Kurzfassung steckt in der von medscape Deutschland (medscape.com) gelieferten Headline: „Cochrane Review zu Tamiflu & Co.: Vorteile überschätzt, Schäden zu selten berichtet“, die Teufelshorde steckt in den Details.
Tamiflu und Konsorten werden bekanntlich von etlichen Regierungen milliardenschwer aus Steuergeldern bestellt, bezahlt und gehortet, um im Schweine-Vogel-China-Grippen-Pandemiefall das Ärgste von den jeweiligen Bevölkerungen abwenden zu können. Die politischen Entscheider folgen beim Horten primär Empfehlungen der WHO und des US-amerikanischen CDC (Centers for Disease Control and Prevention). Doch auf welche Daten sich WHO und CDC in ihren Empfehlungen stützten, war für die Cochrane-Autoren schlicht und ergreifend nicht nachvollziehbar, weil es diese Daten nicht gibt. Wie sich nun nach Auswertung aller randomisierten Studien zeigt, verkürzt z. B. das angesagte Grippeimpfmittel Oseltamivir die Symptomdauer einer Influenza gerade mal um 16,8 Stunden, hat aber keinen nachweisbaren Effekt auf die Hospitalisierungsrate. Ebensowenig Wirkung zeigt sich bei verifizierten Lungenentzündungen, Nebenhöhlen- oder Mittelohrentzündungen oder Bronchitis, und auch für die behauptete „verringerte Mortalität durch die Einnahme antiviraler Mittel“ konnten die Cochrane-Autoren keinerlei Belege finden. „Tatsächlich traten insgesamt nur 13 Todesfälle bei den über 24.000 Patienten auf, die in den verschiedenen klinischen Studien untersucht wurden.“ (medscape). Erheblich kürzer gesagt: das ganze Zeug nützt nichts. Nicht nur „so´n bißchen wenig oder kaum“. Sondern: nichts. Kostet aber ein Schweinegrippengeld.
Fiona Godlee, Chefredakteurin des British Medical Journal, wiederholt dazu also ihre No-Brainer-Forderung: „Die Studiendaten aller derzeit verwendeten Medikamente müssen zugänglich gemacht werden“, (selbst wenn man dafür 20 Jahre alte Dokumente durchforsten müsse). Andernfalls „riskiere man erneut eine reflexhafte Reaktion bei Pandemiegefahr. Und könne man sich das wirklich leisten?“ (medscape)
Wie, leisten? Wer? Sich was leisten? (Lachen vom Band). Big Pharma kann sich alles leisten, und wie. Roche hat mit Oseltamivir seit 1999 etwa 13 Milliarden Euro umgesetzt, die Hälfte davon allein mit Verkäufen an Regierungen oder Unternehmen in der ganzen Welt, die für den Pandemiefall gerüstet sein wollten. Die Herausgabe der Studiendaten forderten Forscher schon seit 2009, unterstützt vom BMJ. Roche gab sich erst 2013 geschlagen.
Und nochmal, wie? Das geht doch eigentlich alle an und wäre ein Thema? Ja. Schon. Aber das Fernsehprogramm um 20.15 h ist bis 2016 bereits vollgesteckt mit Nebel. Nicht nur Carmen.