Bücherversenken (Künstlerdämmerung #25)

Also, wenn jemand mich so entrüstet anschaut wie diese junge Kultivierte neulich vor dem Altpapiercontainer, beim Büchereinwerfen, dann fange ich schon aus Notwehr an zu schenken. Aber nicht aus Überzeugung.

Gelesene Bücher gehören nämlich entweder ins Regal, wenn man zu viel Platz hat, oder in den Container. Sogar ungelesene Bücher, die man nicht mehr lesen will (weil man zum Beispiel zu alt ist, wie ich). Aber keinesfalls gehören Bücher auf den Flohmarkt, zu amazon oder zu Momox. Man verkauft ja auch kein Brötchen weiter, nachdem man es durch hat.

Leuchtet natürlich keinem ein, schon gar nicht der Bücherfreundin vorm Container, weil: Ein Buch ist ja kein Brötchen. Sondern ein Kulturgut. Und ein Brötchen kann man nach dem Goutieren gar nicht weiterverkaufen (jedenfalls möchte ich mir das nicht vorstellen). Ein Buch: durchaus.

Ich kann aber auch Leute hauen. Oder erschießen. Aber man darf halt nicht alles, was man kann.  Und verkauften alle Leute ihre gebrauchten Brötchen weiter, wären alle Bäcker pleite.

Wie? Eben, ja. Da alle Leute ihre gebrauchten Bücher weiterverkaufen, gehen die Autoren pleite, genau.

Weil die Leute das können, Bücher weiterverkaufen oder verleihen oder weiterverschenken. Ändert aber nix dran, dass man das nicht darf. Weil´s fies ist.

Deshalb: Altpapier.

Ich durfte ihr das sogar erklären, der Kulturfreundin vorm Container. Sie hat sogar zugehört. Und sogar genickt (einmal, kurz). Und vermutlich sogar verstanden, was ich sage.

Aber ich schwöre, sie wird weiter gelesene Bücher verleihen, verschenken und an Momox weiterreichen.

Weil Bücher etwas Schönes und Wertvolles sind.

Autoren? Ach, Autoren, Autoren. Nu nehmse sich mal nich so wichtig, Sie.

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Der Schöpfer ist eine Privatbank

Dass einem bei Paul Schreyers Rundgang durch die Gebäude der Geldregierung gelegentlich dezent schwindlig wird, liegt nicht am eloquenten Reiseführer, sondern an der präsentierten Architektur: In einem so komplexen mehrstöckigen Spiegelpalast verliert der Besucher eben doch gelegentlich die Orientierung. Oder steht auch mal mit einem Fuß im luftleeren Raum, erschrocken, wahlweise fassungslos.

Die eleganten 192 Seiten „Wer regiert das Geld“ ließen sich indes unzulässig verkürzen auf den konstatierenden Kern, dass wir tatsächlich nichts mehr zu melden haben – und „wir“ meint eben nicht „du und ich“, sondern „du und ich und all unsere Vertreter“. Diese längst gefühlte Wahrheit belegt Schreyer eindrucksvoll, macht aber nicht den bei anderen Kritikern beliebten Fehler, Geld, Geldschöpfung, Kredite und Schulden per se zum Teufelswerk zu erklären, sondern schildert den jahrhundertelangen Kampf um das Recht zur Geldschöpfung ungetrübt von ideologisch eingefärbten Brillen.

Stehen bleibt der besorgniserregend schön gebaute Spiegelpalast. Und wer genau hinschaut resp. –liest, findet endlich sogar die Antwort auf die Frage, weshalb die nie gewählten Herren und Damen der Welt (von IWF bis Fed) so ungeheuer selbstsicher auftreten und Mofafahrern wie Varoufakis nicht mal zuhören. Mir jedenfalls war zwar bewusst gewesen, dass unsere Banken permanent Geld aus dem Nichts erzeugen, nicht aber vollständig klar war mir bis zur Lektüre von Schreyers Kapitel 3 gewesen, dass die Banken a) sich mittels Staatsanleihen allwöchentlich risikolos steuerfinanzieren und b), wichtiger, längst auch alle weltweiten Bilanzierungsregeln selbst festlegen. Und was nur nach einem Glasbaustein aussieht, ist de fato das Fundament, auf dem der ganze Palast bombenfest steht: nach Lage der Dinge droht den Banken nämlich tatsächlich nicht mehr die geringste Gefahr. Jedenfalls nicht von „dir und mir und allen, die wir wählen können“.

P.S.: Neben der Erhellung hat die Lektüre einen weiteren angenehmen Effekt, jedenfalls für mich: Zum ersten Mal in meinem Leben bin ich froh, dass sich auf meinem Girokonto kein „Geld“ befindet. (Gut, zugegeben, noch froher wäre ich natürlich, wenn ich anderes Geld hätte, also sogar echtes, aber man kann ja nun wirklich nicht alles haben).

Paul Schreyer: Wer regiert das Geld? – Banken, Demokratie und Täuschung (Westend 2016, 220 S., 16.99 €)

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Leseprobe

Mit Dank an den Westend Verlag = herunterladbares .pdf bei Klick aufs Cover*.

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Dr. Spin an der Mückenfront

Monsanto ist schnell. Kaum stellt dieser durchgeknallte VT-Argentinier Vasquez seine alarmierend schlüssige Theorie in den Raum, nicht der originale Zika-Virus sei schuld an den brasilianischen Embryo-Schrumpfköpfen, sondern ein Larvenvernichtungsmittel im Wasser (also mitten in der Mückenbrutstätte), ballert die Presse Monsantos Dementi als schlüssige Entwarnung rund um den Globus, exemplarisch laut die Huffington Post: A viral Story links the Zika virus to Monsanto. Don´t believe it (16. Februar).

Die Spin-Taktik ist billig, gekauft wird sie trotzdem: Denn widerlegt wird hier wortreich allerhand Irrelevantes, der Elefant im Zimmer verschwindet aus dem Blick. Während die Journaille auf Spatzen ballert und spöttisch festhält, der Wirkstoff Pyriproxyfen sei erst ab 1 TL pro Liter gesundheitsgefährdend, lässt man Vaquez´ Kernvermutung unter den Tisch fallen. Die nämlich geht fragend so, in Prosa: „Könnt´s nicht sein, dass der Zika-Virus in den Mücken durch das Larvengift in den Mückenbrutstätten mutiert ist? Und dass dieser Virus Zika 2.0 neue Folgen hat, nämlich die Wachstumschädigung von Larven, äh, Embryonen?“

Zur Gesamtstudienlage hat Der Freitag (15. 2.) eine gute Sammlung incl. Vasquez Stein des Anstoßes, nach der Lektüre weiß man, dass das ganze schurnalistische De-Bunking fieser Unfug ist, vor allem aber: Niemand behauptet, die fötalen Schrumpfhirne entstünden durchs Trinken von zu viel Pyro-Wasser, sondern naheliegend ist die Frage, wieso sich der seit Jahrzehnten grassierende Virus ausgerechnet dort verändert, wo man erst seit kurzem die Trägermücken mit einem Embroyonenhirnschrumpfmittel bekämpft, vulgo dem Wirkstoff Pyriproxifen. Der nämlich, Obacht, hemmt die Entwicklung von Mücken- und Floheiern und -larven während 3 Monaten, indem er die Wirkung des Juvenilhormons mimikriert, was schlicht bedeutet (nachzulesen in jeder Wikipedia): „Überhöhte JH-Gaben führen zu Entwicklungsstörungen in Form von überzähligen Larvalhäutungen. Dabei treten häufig Missbildungen auf, zudem können sich die Tiere dann nicht mehr vollständig häuten und verenden, bevor sie das fortpflanzungsfähige Adultstadium erreicht haben.“ Gebildet wird das JH im corpus allatum, also direkt hinterm Insektenhirn, und auch wenn Hirn nicht gleich Hirn ist, halten wir fest: Pyriproxifen killt ausdrücklich keine Erwachsenen. Sondern ist ein Insect-Growth Regulator, ein Fötenvernichter: Pyriproxifen verstümmelt und tötet lediglich Nachwuchs.

Daher Vasquez´ Theorie. Besser: Seine Frage, auf der Suche nach der naheliegendsten Erklärung. Die Antwort auf diese Frage 1+1 muss nicht 2 lauten. Aber sie gehört gebührend laut in den Raum gestellt – und nicht übertönt von Monsantos gut geölter PR.

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Terrifying?

Alternet/Salon behauptet: This video is the most terrifying thing you will see today. (College Student´s Answers to Those Basic Questions Will Shock You …)

Na ja, jein, weil: andererseits … wenn die dann in 10 Jahren die Finger auf den Raketenstartknöpfen haben, wissen sie doch gar nicht, wohin sie zielen müssen, also lassen die sich vielleicht ganz leicht verwirren und treffen … sich selbst?

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Lifestyle & MS (als Lebenszeitprofessur)

„In den vergangenen Jahren wurde mehr und mehr deutlich, dass die Art der Lebensweise und Faktoren der Umwelt Einfluss auf den Verlauf einer Multiple-Sklerose-Erkrankung haben können.“ (so die Gemeinnützige Hertie-Stiftung in der Ausschreibung ihres neuen Stiftungslehrstuhls).

Da nicken wir begeistert und sagen sehr bestimmt: „Stimmt!“ Und obwohl lsms.info und Life-SMS von DMSG, Amsel und Neurologenverbänden weiterhin gepflegt ignoriert werden, wird die Wahrheit ja bei der GHST nun endlich umso deutlicher gehört. Mit schönen Folgen: „Die Gemeinnützige Hertie-Stiftung beabsichtigt, die Forschung zur Therapie der Multiplen Sklerose voranzutreiben. Dazu stellt sie über einen Zeitraum von fünf Jahren insgesamt 1,25 Millionen Euro zur Einrichtung eines Stiftungslehrstuhls Umwelt- und Lebensstilfaktoren in der Therapie der Multiplen Sklerose zur Verfügung. Ziel der Förderung ist der Aufbau einer Forschergruppe, die sich mit dem Einfluss der Umwelt und des Lebensstils auf die Erkrankung Multiple Sklerose auseinandersetzt und eine Verbesserung der Therapie in diesem Bereich anstrebt.“

Jubilate! Wir freuen uns mit (mit Dank an all unsere Unterstützer, die wie wir selbst betroffen sind und mit MS leben, nicht von – dass sie uns geholfen haben, diese Bewusstseinsveränderung bei den Experten herbeizuführen). Darauf stoßen wir doch jetzt glatt mal an, mit einem Jahrgangswasser (Schampus gibt´s nicht, denn was wir noch in der Kasse haben, geht bis zum letzten Cent in unseren Service. Versprochen.)

P.S.: Die Hertie-Stiftung nimmt noch bis zum 31. März Bewerbungen von Fachleuten an (die allerdings eine eigene Universitätsklinik mitbringen sollten, selbstverständlich.)

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„We are looking for dreamers.“

Es ist ungeheuer leicht, an Brad Birds „Tomorrowland“ (dt., sonderbar: A World Beyond) herumzunörgeln: zu platt, zu laut, zu naiv, zu amerikanisch, zu unlogisch, zu irgendwas, jedenfalls nicht Arthaus. Genauso leicht wäre es, den Film als das zu nehmen, was er ist: Ein buntes Popcorn-Gedicht um eine große Wahrheit, nämlich die, dass allein unsere Vorstellung von der Zukunft die Zukunft formt. Und so, wie die Dinge liegen, haben wir den Glauben an eine gute Zukunft vollständig verloren, sind also praktisch schon tot.

Das klingt, nicht zufällig, unter unserer „Zukunft“ in „Die ganze Wahrheit über alles“ durchaus ähnlich, und den kleinen finsteren Vortrag des Erzschurken Nix (sic) hätten wir natürlich zitieren können (hätten wir ihn denn schon vor Druckbeginn gekannt). Ein bisschen runder geht´s aber auch, eben so (die Abteilung „Was mit „Zukunft“ gemeint war“ hier überspringend):

Was wir daraus gemacht haben: Eine Worthülse auf unserem Weg zum erweiterten Suizid. Als unser Unwohlsein mit dem ganzen Konzept begann, sind uns ja immerhin noch gelungene Aphorismen gelungen wie Früher war sogar die Zukunft besser (Karl Valentin) oder Die Zukunft ist auch nicht mehr das, was sie mal war (Yogi Berra) oder Mangels Nachfrage findet Morgen nicht statt – aber dieses vergleichsweise lustige Mahnen ist lang her, und heute aber scheint es, als wäre unsere Zukunft nicht nur schlechter geworden, sondern förmlich verschwunden, als hätten wir vor lauter Fragen, Aufgaben und Tempo schlicht gar keine Zeit mehr für unsere Zukunft; als sei sie uns „abhanden gekommen unter der Diktatur der Gegenwart“ (Welzer) des permanenten „Jetzt!“ (Eckhart Tolle), anders vermutet, schon in den 1960ern: „Mir will es doch so vorkommen, als ob das, was (…) dem Menschen abhanden gekommen ist, die Fähigkeit ist, ganz einfach das Ganze sich vorzustellen als etwas, das völlig anders sein könnte.“ (Theodor W. Adorno).
Das stimmt natürlich nicht. Vorstellen können wir die Zukunft nämlich durchaus noch, allerdings absolut nicht mehr utopisch, sondern nur noch dystopisch, also schwarz. Licht und bunt schaffen wir nicht mehr, und das, obwohl wir in unserem gemeinsamen Rückspiegel sehen, dass unsere Zukunft immer gestaltbar war, und zwar (meist) zu unserem grandiosen gemeinsamen Vorteil. Das scheint vergessen, denn heute setzen wir  unsere politischen Vertreter nicht umgehend ab und vor die Landesgrenze, wenn sie von „Alternativlosigkeit“ sprechen – also uns das Allerwesentlichste unseres Menschseins absprechen, nämlich sogar die Möglichkeit des Gestaltens unseres zukünftigen Lebens: diesen Glauben an die Gestaltbarkeit unserer Zukunft, den scheint man uns tatsächlich genommen zu haben.
(…)
Utopien? Sind als naiv diskreditiert. Hatten wir doch alles schon. Hat alles nicht funktioniert. Gute Ideen? Hatten wir auch. Haben auch nicht funktioniert. So sagen wir heute, „was in harmloseren Zeiten nur den ausgepichten Spießbürgern vorbehalten war: „Ach, das sind ja Utopien, ach, das ist ja nur im Schlaraffenland möglich, im Grunde soll das auch überhaupt gar nicht sein“ (Adorno, ebd).
Dass wir so ticken und empfinden ist gewünscht und gewollt. Nicht von uns vielen, die wir unter der Gegenwart mehr oder minder leiden, sondern von den wenigen, die gegenwärtig profitieren. So dient die Zukunftsvorstellung nur mehr zum Bangemachen und zum Unterstreichen der für die „Powers to be“ so wichtigen Herdenhaltung: „Wir können ja eh nichts ändern, es geht zu Ende.“ So oder so. Vermutlich blutig und im Kampf Mann gegen Mann, Frau gegen Frau, Kind gegen Zombie. Und wenn uns überhaupt noch irgendwas helfen kann in dieser nahen Zukunftswelt der uns überschwemmenden Aliens aus dem Weltall oder dem nahen Osten oder gleich der „Walking Dead“, dann doch, wenn überhaupt noch jemand, das US-Militär.
(…)
Die Diagnose fällt aber noch ein bisschen verheerender aus, wenn wir den verbleibenden Kitsch entfernen und konstatieren müssen: Wir haben die Zukunft vergessen und verraten, und die Zukunft, das ist eure Zeit. Die Zukunft, das seid ihr. Das heißt: Obwohl wir alle – Politiker wie Nichtpolitiker – seit Jahrzehnten wissen, dass es so nicht weitergeht und wir unseren Kindern und Enkeln einen Desasterplaneten hinterlassen werden, haben wir nicht gehandelt. Sondern abgewartet. Und uns damit beruhigt, dass ihr uns ja höchstens unterlassene Hilfeleistung vorwerfen könntet, aber keinen Mord. Das allerdings wird nicht wahr, selbst wenn wir es uns hundertmal in unsere Köpfe und Strafgesetzbücher lügen: Auch Nichthandeln ist Handeln, und im Ergebnis besteht kein Unterschied zwischen Mord und unterlassener Hilfeleistung. Letztere hat nur einen besseren Ruf.
Das Schlimme ist: Wir spüren das. Wir wissen das. Wir haben es verbockt, gründlich. Haben nicht richtig hingeguckt, viel vergessen, waren bequem und gedankenlos und haben nichthandelnd zugelassen, dass eure Zukunftsaussichten immer schlechter werden. Heute aber, im Jetzt, können wir das nicht mehr ignorieren. Heute wissen wir und gestehen uns sogar ein, dass es euch, unseren Kindern, eben nicht „einmal besser gehen wird“ als uns. Das glauben nur noch 13% von uns, und Harald Welzer fragt zurecht: „Wo nehmen die restlichen 87% die entspannte Haltung her, dagegen nichts zu tun?“
Aber diese Haltung ist keine. Und schon gar nicht entspannt. Sondern eine schwere, zukunftslose Depression. Wir wissen doch, dass es kein Argument gibt, nichts zu tun. Dass es schon seit Jahrzehnten kein Argument mehr für unser Nichtstun gab. Und ihr könnt euch gar nicht vorstellen, wie peinlich uns das ist. Wie sehr wir uns schämen. Denn alles, was wir verschoben haben, wird euch auf die Füße fallen. Und jetzt haben wir auch noch den Glauben verloren, dass wir es überhaupt noch ändern könnten.
Unser „Mind Set“? Gleicht dem eines frisch gefeuerten US-Familienvaters, der verzweifelt weiß, dass er seine Familie nicht mehr wird ernähren können. Der weiß, dass seine Frau ihn verlassen wird. Der weiß, dass seine Kinder nicht werden studieren können. Dass ihn alle hassen werden, für immer. Der weiß, dass man höchstens noch auf sein Grab spucken wird, und der verzweifelt nach Hause fährt, die Waffe im Handschuhfach, und konsequent in seiner schweren schwarzen Störung tut, was so ein Mann eben tun muss: Ehe der so was zulässt, nimmt er die ganze Familie doch lieber mit.
Der Fachmann nennt das „erweiterten Suizid“, und solltet ihr das Bild allzu drastisch finden, müsstet ihr euch die Frage beantworten, uns betreffend: Wieso haben diese Leute nicht gehandelt?

Also. Bitte. Das gehört er doch eher in ein kühnes, wahlweise naives Buch wie unseres als in einen Popcorn-Film, denn man kann den Leuten (unserer Generation) doch nicht ernsthaft im Kino sagen, dass sie sterben wollen. Andererseits … wenn ich drüben bei meinem Co-Autor in den tatsächlich sehr respektvollen Kommentaren lese „Ich bin ein Träumer, klar, zumal ich den Menschen an sich für hoffnungslos verblödet halte, und mich am leichtesten damit tröste, dass ich nicht mehr so sehr lange zu leben habe“, scheint sowohl unsere Analyse als auch das pathetische „Tomorrowland“-Ende einen Taschenlampenstrahl in die richtige Richtung zu werfen. Einen naiven, meinetwegen: „We are looking for dreamers.“

Weshalb im unweigerlichen dritten Schritt unserer thematischen Dreisätze unter Zukunft auch, aber nicht nur steht, unter dem „Ihr“, das ausdrücklich nicht unsere traumlose Generation meint:

Was ihr daraus machen werdet: Ihr werdet die Zukunft restaurieren, in eurem Jetzt: als positive Vision; die Zukunft für euch zurückerobern und sie wieder gestalten, statt sie nur geschehen zu lassen. Ihr werdet euch erinnern, wie „Zukunft“ vor uns gemeint war, dass das vorausschauende Handeln uns Menschen von Amöben unterscheidet. (Und ihr werdet allenfalls am Philosophenstammtisch diskutieren, ob denn die „Gestaltbarkeit“ des Morgen tatsächlich ist oder tatsächlich bloß eine Illusion und – falls – eine nur nützliche oder eine notwendige).
Dabei werdet ihr – durchaus mitentscheidend – wissen, dass ihr uns nichts schuldet. Ob ihr uns vergebt? Almosen verteilt? Oder uns alle in den Fluss werft? Ihr könnt sicher sein, dass wir gespannt sind auf eure Antwort. In den Fluss werfen wäre gerecht, Almosen wären nett. Aber verdient haben wir die nicht. Und sollte einer von uns euch eine solche Pflicht einreden wollen, bleibt ihr sehr entspannt, mit freiem Hinweis auf die wahren Revolutionäre: „Probleme oder Schulden sind nicht übertragbar von einer Generation auf die nächste“ (Thomas Jefferson).
Ihr werdet die Ungerechtigkeit beenden, denn nur sie steht eurem Frieden im Paradies im Weg. Ihr werdet umverteilen. 0,001-10% von euch wird das nicht gefallen, insbesondere den 80 Menschen nicht, denen derzeit der halbe Reichtum des Planeten gehört (-> Verteilung). Vermutlich werden die kämpfen wollen, aber vergesst nicht: Ihr seid denen zahlenmäßig nicht nur ein bisschen überlegen, und so werdet ihr siegen, fast ohne Blutvergießen, Teddy Roosevelt im Sinn: „Zu fürchten habt ihr nichts außer der Furcht selbst.“
Ihr werdet wissen: Es ist besser, Fehler zu machen als gar nichts. Besser, beim Versuch zu scheitern als beim Aussitzen. „Trotzdem!“ ist das neue „Alternativlos“.
Ihr werdet drei, vier Fragen immer im Kopf haben, als Leitsterne: Ihr werdet wissen wollen: „Wozu mache ich das eigentlich (das, was ich gerade mache), in jedem Moment?“, „Was will ich, was wollen wir sein?“; „Was will ich, über das Jetzt hinaus, gewesen sein?“
Und zuletzt, am Anfang von allem: „Was wollen wir wollen?“
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