Japanische Erzählkunst in Serie

Natürlich können wir mit den meisten anderen Ländern erzählerisch nicht mithalten, schließlich ist Deutschland sehr klein (82 Millionen Einwohner), während z. B. Schweden und Dänemark sehr groß sind (zusammengenommen 16 Millionen Einwohner) und deshalb, anders als wir, viel weltweit Erfolgreiches produzieren – nicht nur in Form von Romanen, sodern auch in Bildern und Worten, also: Film und Fernsehen. Dieser total logischen Rechnung folgend, ist Japan für uns natürlich ein komplett unerreichbarer Kreativitätsplanet, denn Japaner gibt es sogar 12mal so viele wie Skandinavier; kein Wunder also, dass die Unerreichbaren 800mal so viel Schönes zustandebringen wie wir. Aber! Dafür haben sie keinen „Polizeiruf“ und keinen „Tatort“ zum Produktionspreis von zirka 8 Milliarden Euro p.a.

Aus der qualitativ alltäglich hochwertig aufgehenden roten Stoffsonne ragen indes derzeit 2 Serien heraus, in die ich mich selbstredend verknallt habe – inklusive Träne im Knopfloch, dass ich nicht in Japan arbeiten darf. Beide nämlich, „Psycho Pass“ wie „Terror in Tokio“ sind nicht nur gestalterisch atemberaubend schön und modern, sondern auch inhaltlich. Deutsche Redakteure kriegen ja schon bei der Erwähnung der Zukunft Pickel und falten die Hände zum nach unten gerichteten Abwarte-Warndreick, aber wenn man dann auch noch was von „Horizontale“ erwähnt, fliegt man sofort hochkant raus*. In Japan und im Rest der Welt offenbar nicht, gottlob. Und wenn ich jetzt noch einen Weg fände, um die Zahlung der Mediensteuer herumzukommen, könnte ich mir diese zurecht sauteuren Importe sogar leisten. (Immerhin: „Terror in Tokio“ verfügt sogar über eine deutsche Tonspur. Wer „Psycho Pass“ verstehen will, kommt nur auf Japanisch oder Englisch ans Ziel).

* Mit diesen Pitches hätten ein Autor in allen deutschen Sendeanstalten (ÖR wie privat) eine Halbwertszeit von zirka 2 Minuten 30: 1) „Lasst uns einen 11-Teiler über zwei sympathisch-gestörte jugendliche Terroristengenies machen, die unser krankes System mit einer Reihe von Anschlägen ins Wanken bringen“ oder 2) „Lasst uns eine Krimiserie aus der Zukunft zeigen, in der die Cops über jedermanns/fraus mentale Stabilität ganz genau Bescheid wissen – weil alle Daten jedes Bürgers erfasst und seine PsychoPass-Daten jederzeit abrufbar sind. Und, glaubt mir, das Spannendste daran sind nicht jene Verbrecher, die ihre eigenen Psychopässe per Hack „weißwaschen“, sondern eben die Ermittler, die man zur Lösung des Falles heranziehen muss: Denn diese Cops sind ja längst suspendiert und sicherheitsverwahrt, wegen ihrer eigenen tiefgrauen Psychopässe …“

„Was? Nein, da spielt keine 55jährige Anwältin mit Hund mit, die den Fall binnen 45 Minuten löst … Darf ich meinen Kaffee noch austrinken? Wie: im Fahrstuhl?“

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2017-2030 (in der Vergangenheit rückblickend vorhergesagt)

Die von mir sehr geschätzte Höragentin Ines Z. beschwert sich völlig zurecht, Sherman & Lyle dürften nicht sterben, sondern müssten doch wenigstens ihre Trilogie zu Ende bestehen dürfen (sowie vertont werden), ich beschwere mich aber auch zu Recht retour, dass ich mir das Fertigen solch komischer Juwelen noch immer nicht (wieder) leisten kann. Aber, versprochen: 2017. Versprochen: Vielleicht. Bis dahin bleibe ich stolzer und vermutlich fast alleiniger Besitzer der ersten 2 Bände aus den Jahren 94 und 97*, die 2030 spielen und ja immerhin en passant schon weit zurückblicken auf die Mittelmeerkriege von 2018 (Nordafrika wird ja trotzdem auch 2035 noch routiniert bombardiert). Dass ich die dramatischen Probleme illegaler Underground-Railroad-Flüchtlinge in Gesamtdeutschland ganz konkret schon 1986 in in „Zuckerbrot“ auf 2020 vordatiert und zum Gegenstand eines relevanten kleinen Romans gemacht hatte, kann indes außer meiner anerkennend nickenden 13jährigen Tochter auch weiterhin keiner wissen, denn der Roman ist ja nie erschienen – eben, weil all das den zuständigen Verlegern damals unheimlich weit hergeholt vorkam bzw. illusorisch: „2020“ ebenso wie „Flüchtlinge im deutschen Untergrund“, aber auch „Onlinegames statt Politikinteresse“.

So gesehen – sollte ich mit Sherman #3 vielleicht doch noch bis 2020 warten, dann ist die Gesellschaft, die ich beschreibe, wenigstens nicht mehr 40 Jahre weit entfernt (wie beim Erscheinen von #1), aber immer noch so weit weg, dass mir kaum jemand folgen kann. Vorher, spätestens 2019 drucke ich mir aber wenigstens noch mal hochglänzend für die öffentliche Pinnwand nach, was ich zum Milleniumswechsel prominent in meinem leider verstorbenen Lieblingsblatt Die Woche präsentieren durfte, nämlich den Menschen des Jahres 2030. (Ach, was, das mach ich einfach jetzt; ganz ungedruckt als 8,9-MB-Scan beigefügt, bei Interesse).

Nicht, dass man mich noch posthum für einen bloßen Discount-Visionär hält, weil ich auf dem Weg von 1986 bis 2010 bescheidener geworden bin und seit Mitte meiner eigenen 40er gar keine korrekten Vorhersagen mehr für 30-Jahres-Zeiträume  anstelle, sondern nur mehr für bescheidene Zukunftszeiträume zwischen 5 und 10 Jahren. Aber selbst das, nämlich 2010 die politische, klimatische und gesellschaftliche Situation in Europa Anfang 2017 zu „bespielen“, war ja höchstens smart isV smart, aber nicht smart iSv absatzfördernd. (Und, doch, ich freue mich sehr über die Ehre, in der neuen Die- Zeit-Wissenschafts-Thriller-edition vertreten zu sein, aber, nein, mir gefällt das wissenschaftliche Nachwort zur Prophezeiung nicht sonderlich; es ist so ungeheuer uninspiriert, dass man allenfalls wohlwollend „Thema verfehlt“ drunterschreiben könnte, denn wer da glaubt, der Roman behaupte die tatsächliche Vorhersagbarkeit von Klima, hat jedenfalls garantiert ein anderes Spiel gesehen, äh, Buch gelesen …)

Woche2000

* Papierlos gibt´s die Sherman & Lyle-Bände #1 und #2 natürlich noch, beim amazon, dezent überarbeitet 2013 von yours truly; nur: Hendrik Dorgathens schöne und zahlreiche Illustrationen des zweiten Bandes (Wal im Netz) lassen sich als graue Pixel wahrlich nicht vermitteln. Wer die verständlicherweise als Begleitung zum Text sehen will, müsste also auf dem freien Bücherschwarzmarkt suchen gehen (egal wo, gehört eh alles amazon).

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Frauen und Kinder zuletzt

Ich verstehe ja derzeit sowieso manches nicht, aber …

Nee. Sogar wenn ich den „Charakter“ erfinde und hinschreibe. Ich versteh´s nicht. Und wenn man mir 100x rational erklärt, dass Männer eben stärker sind und bessere Chancen haben durchzukommen und deshalb allein vorgehen. Das macht man doch trotzdem nicht. Niemals. Es bleibt abwegig. Ich kriege das „Mind Set“ nicht in meinen Kopf, nicht mal simuliert. Vermutlich, weil ich ein total romantisches Windelweichei bin, vulgo: Opfer.

Mir fehlt da einfach was, ich geb´s ja zu.

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Fehlendes

Die Begründung unserer zirka 186 Frauenjournale, nicht über „Diagnose …“ zu schreiben oder zu berichten, finde ich allerdings absolut konsequent: „MS betrifft vor allem Frauen, und Herr Böttcher ist keine Frau.“ Wohl wahr. Und fast so zupackend logisch wie die damalige Absage meines potenziellen Verlegers T. (über einen Mittelsmann): „MS ist eine Nischenkrankheit. Sag Sven, wenn er Krebs hat, verlege ich ihn sofort.“

Schön und schmeichelhaft ist hingegen Andreas Westphalens sachlicher Bericht über das Buch und vor allem über die Pharmaindustrie (auch und gerade am Beispiel der MS-Medikamente), erschienen im neuen Hintergrund unter dem Titel „Von der Medizin des Weglassens“. Erhältlich seit circa letzter Woche im gut sortierten Buchhandel oder direkt beim Verlag (Auslieferung dauert in Mecklenburg höchstens bis Oktober.)

Der gelegentlich von mir erwähnte Vannaeu Trust hat sich unterdessen als zu groß für deutsche Mediendickschiffe entpuppt, trotz durchaus eifrigen Bemühens der Besatzungen, dem mysteriösen Vogel näherzukommen. Es wär ja allerdings, offen gestanden, die Frage „cui bono?“ in diesem Zusammenhang auch gar nicht zu beantworten. Denn wem nützte es, schlimmstenfalls belegt und aufgedeckt zu wissen, dass Großmogule oder gar Pharmahersteller via Steueroase Jersey die internationalen „Patientenvereinigungen“ großzügig unterstützen? Wer, bitte, wollte denn so was wissen? Die Patienten? Weil die dann kritischer im Umgang mit ihren komplett kassenfinanzierten 40.000-Euro-im-Jahr-Medis würden? (Lachen vom Band).

Die Welt dreht sich weiter, um Wichtigeres. Die große Welt um den Kampf der tapferen Griechen (die hoffentlich in allen Ratskellern Drachmen drucken), meine kleine temporär etwas gebremst, wegen des Verlustes geliebter und höchst geschätzter Menschen. Aber die gehen ja nicht weg, solange ich sie nicht vergesse, sondern sind und bleiben mir quicklebendig – Hinni als Waldfee, Mutter und liebevoller Geist, Harry als großer komischer Geist von eben mal ganz bestimmt garantiert nicht geringem Verstand. Zum Glück haben ja beide genug zum Lesen dagelassen, und kaum was ist so wahr wie dieser Satz mit dem Schreiben und dem Bleiben.

Und trotzdem: Da fehlt jetzt was. Und nicht zu knapp.

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Emojis zum Diktat

Ich habe überhaupt nichts gegen Emojis. Hatte. Ja, zugegeben. Habe aber nicht mehr, weil es natürlich viel schöner ist, in Messages und Mails Gesten und Gesichter machen zu können – wie in jedem normalen Gespräch. Einen Hauch unerfreulich finde ich nur, dass wir über kurz oder lang unsere gesamten Bibliotheken werden nachrüsten müssen, Zeile für Zeile, weil ja kein Mensch mehr ohne Gefuchtel und Grimassen Scherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung versteht.

„Dem kommenden demographischen Problem lässt sich am besten mit einer Rauchpflicht ab 60 begegnen, Volkshochschulkurse sind in Vorbereitung. Ergänzend lassen sich natürlich auch die Krankenkassenbeiträge für alle erhöhen, die sich gesund ernähren und viel Sport treiben.“

Kann man nicht mehr machen, so was. Nicht ohne Emojis, die am Satzende grinsen, sich schallend abrollen oder halb verschämt gucken und so signalisieren: „Scheeerz!“

Ach, herrlich. Das wird ein Fest. Und ein ganz neuer Berufszweig – „Emojinationsredakteur“ für Klassiker der Hochkomik, von Benchley bis Tucho. (Aber die echten Klassiker können natürlich unverändert bleiben, die sind ja genetisch spaßbefreit).

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Augenbrauen auf „Habacht!“

Aus dem Meer der fleißig uninspirierten „Same-o-same-o“-Geschichtsbücher ragt frisch eines wie ein junger Leuchtturm, nämlich Yuval Noah Hararis „Eine kurze Geschichte der Menschheit“, das den großen Bogen vom aufrechten Gang bis zum hohen Traben mühelos spannt – und dies obendrein mit gehörigem Esprit (sowie, gelegentlich, scharfem Witz). Zu meinem Lieblingsbemerkungen gehört selbstredend die des brillanten Jungprof, dass wir aus der Geschichte absolut nichts lernen können – und dass eben nichts vorhersehbar ist. Es sei denn restrospektiv vorhersehbar, also eben: nicht. (So war eben beileibe nicht „zwangsläufig“ oder im Mindesten „logisch“, dass Spanier und Engländer die Welt beherrschten (und Amerikaner es heute tun). Durchaus häufig nimmt die Geschichte nämlich einen Verlauf, der lausige Lösungen den guten vorzieht – ob VHS, Monotheismus oder Microsoft Word …)

Ach, was für ein herrlicher Denker, der junge Mann! Lesen! Wer da nicht vor lauter Wissensvermittlung in tief entspanntes Nichtwissen gleitet, der braucht wirklich dringend Medikamente.

Yuval Noah Harari – Eine kurze Geschichte der Menschheit (dt. von Jürgen Neubauer, Pantheon 2/2015, 528 S., 14.99 €)
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Brother

… und ich dachte, das wär für DMax gewesen …

Kommt davon, wenn man nicht zuhört. Aber Jens kann das. Und zwar richtig gut. (Ich empfehle dringend die Anschauung aller „Tiefsehtauchen“-Episoden). Aber die von heute auch, bei Interesse.)

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