Uschi vdL war ja schon 2006 so beängstigend offen und ehrlich: „Ein Kind braucht mehr Anregungen und Impulse, als die Mutter ihm geben kann“. Wer so ungeschönt seine eigene Inkompetenz einräumt, dem muss und soll geholfen werden – und dessen Kindern erst recht, indem man sie aus dem Dunstkreis der um Hilfe rufenden Mutter möglichst weit entfernt. Das ist bei vdL gelungen, zum Segen der Kinder. Der Rest der Geschichte ist allerdings ein klassischer Fall von Wahnsinn im gestrecktem Galopp. Denn die schon mit dem Einfachsten überforderte Frau bringt ja seither nicht etwa auf 400-Euro-Basis bei Edeka Milchtüten in Reihe, sondern kraft ihres Vollmeisenschwarms gleich ein ganzes Land auf Kurs Richtung Geschlossene. Daraus lernen wir was? Genau, nichts. Beziehungsweise: „Kommt, wir gucken mal, ob sie die Wickeltische demnächst mit in den Schützengraben stellt.“
Die unbetreute Uschi hat unterdessen ihr Ziel fast erreicht, nämlich das Unmögliche: aus zwei diametral entgegengetzten Ideologien (US-Raubtierkapitalismus und nordkoreanischer Vollkontrolle) tatsächlich alle schlechten Errungenschaften unter einem Dach zu vereinen, ohne auch nur einen positiven Aspekt der beiden Systeme zu erhalten. Und so befinden wir uns in Sachen „Kinder und Familien“ förmlich in der US-DDR, einem wahrhaft komplett verpeilten Monsterapparat. So hat die Betreuungsbedürftige, fälschlich, aber klinisch konsequent von sich auf alle anderen schließend, auf ganzer Linie gesiegt: Wir alle sind im Irrenhaus. Nur sie nicht.
Die verheerenden Folgen sind schon häufiger beschrieben worden, aber Rainer Stadlers „Vater Mutter Staat“ verdient trotzdem eine ausdrückliche Empfehlung, denn das Buch ist nicht nur prima recherchiert, sondern auch prima geschrieben – nämlich bewundernswert beherrscht. Was gar nicht so leicht ist, betrachtet man die Fakten in Sachen Familien- und Kinderseelenzerstörung einigermaßen nüchtern. Dass weiterhin zirka 80% der Bevölkerung eben nicht Uschis Meinung sind, sondern diese korrekt als komplett verpeilt erkennen, konstatiert Stadler am Rande, ebenso den zugrundeliegenden Grundfehler, den man sehr schlicht mit „Vergötterung des falschen Gottes BIP“ abkürzen kann. Das einzige, was Stadler – ebenfalls bewunderswert – weglässt, ist der unvermeidliche Ausgang des irren Menschenversuchs.
Denn machen wir uns nichts vor: Noch leben wir zumindest in der Illusion, wir müssten ja nicht mitmachen beim Wahnsinn, wir könnten noch (wie yours truly) Kindern die verlässliche Gegenwart ihrer Mütter erlauben, und sei es, indem wir eben dreimal so viel arbeiten und auf alle Rentenansprüche verzichten, um genau das für die Kinder herzustellen: Aufwachsen in Liebe und Sicherheit. Genau diese Möglichkeit aber wird kommenden Elterngenerationen gerade genommen. Meine Kinder werden nicht mehr die Wahl haben. Sie werden ihre eigenen Kinder vom 6ten oder 12ten Lebensmonat an bis zum Ende der Schullaufbahn den ganzen Tag in fremde Hände geben müssen, ausnahmslos, ganz gleich, wie viele Studien belegen und beweisen, dass das krank und lieblos ist, den Kindern schadet und sie bestenfalls zu astreinen asozialen Psychopathen macht.
Ich habe drei kluge Töchter. Alle drei werden sich unter diesen Umständen entscheiden, entweder das Land zu verlassen oder auf eigene Kinder ganz zu verzichten. Aber ich bin sicher, dass Uschi dazu auch noch was einfällt, um die Truppe wieder auf Kurs zu bringen. Vermutlich müssen wir also nicht nur mit Krabbelgruppen im Schützengraben rechnen, sondern auch mit massenhaften Zwangsbefruchtungen. Was sonst noch an schwarzen Ideen unter diesem Pony flattert, möchte man sich dann allerdings wirklich nicht vorstellen.
Rainer Stadler: Vater Mutter Staat (Ludwig 2014, 272 S., 19.99 €)