Wir sind die Guten

Bröckers’ Leser wissen mehr: Diesmal über die Vorgänge in der Ukraine und, spätestens im abschließenden, um ein notwendiges Fragezeichen erweiterten Kapitel „Wir sind die Guten?“, über die Gründe deutscher Presstituierter, mit kriegstreiberischen Titelblättern wie dem jüngsten empörenden des Stürmer-SPIEGEL („Stoppt Putin jetzt!“) auch noch die allerletzten Reste von Journalismus begeistert über Bord zu werfen. Das ehemalige Nachrichtenmagazin, autodestruktiv zur BILD für besserverdienende Demente mutiert und auf der neuen Ericusspeerspitze inzwischen komplett abgekoppelt von jeder Realität, arbeitet allerdings nur mit Hochdruck am eigenen Untergang und sollte gelegentlich unter „erledigte Fälle“ abgeheftet werden können – wir hingegen sind weiterhin gut beraten, echten Journalisten wie Mathias Bröckers und seinem Co-Autor Paul Schreyer aufmerksam zuzuhören, denn tatsächlich geht es auf dem großen globalen Schachbrett derzeit um alles. Wer da zu gründlicher Berichterstattung über Giftgasattacken in Syrien bis Passagiermachinenabschüssen über der Ukraine rät, ist eben kein Verschwörungstheoretiker, sondern nimmt seinen Beruf ernst, und wer zu genereller Besonnenheit statt Kriegshetze rät, ist weiß Gott kein „Russenfreund“ und erst recht kein „Antiamerikaner“; dazu reicht es völlig, Menschenfreund zu sein und um die eigene deutsche Vergangenheit zu wissen (sowie, ganz egoistisch, an einer Zukunft ohne dritten Weltkrieg interessiert zu sein).

Mathias Bröckers / Paul Schreyer: Wir sind die Guten. Ansichten eines Putinverstehers oder Wie die Medien uns manipulieren. (Westend, September 2014, 16.99 €)

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Schreiblemminge (Künstlerdämmerung #24)

Deutsche Schriftsteller sind doch echt die schlausten der Welt. 1.500 Unterzeichner gegen Amazon! Wow! Wenn das kein Flashmob ist! Knaller! Aber für was und wieso und weswegen unterschreiben die alle eigentlich, die Profifedern? Für die Verpacker in Bad Hersfeld, die zu knapp über Mindestlohn bezahlt werden? Oder damit wir unsere DVDS zukünftig nur noch bei den beiden pseudokonkurrienden Metro-Läden kaufen? Oder als Stream beim Gutmenschenverein Apple? Oder beim vorbestraften Herrn Karstadt, weil der seine Angestellten so fair behandelt? Ach, nee, die Bücher, stimmt. Die sollen wir nach dem Willen der Autoren nämlich nicht bei amazon kaufen, sondern via Großhändler Libri. Weil … der stationäre Buchhandel (Thalia, Hugendubel) und die Global-Player-Verlage, eben: die natürlichen Freunde der Autoren sind. Deshalb nehmen Buchhandel und Verlage auch bloß 95% Maklergebühr für die Vermittlung des Werkes an die Leser und zahlen dem Autor großzügige 5%. Drum springt man in  Autorenlemminghorden den etablierten Maklern bei, sobald ein böser Konkurrenzmakler auftritt und einem temporäre 70% bietet (ebook) resp. 45% statt der „ham-wir-schon-immer-so-gemacht“ 5% (Taschenbuch).

Nein, das ist alles gar nicht schlimm. Es sind ja Autoren, keine Kaufleute. Und Autoren müssen auch die Welt nicht verstehen, es reicht ja, wenn sie international konkurrenzunfähige Literatur hinbekommen. Nur: sich willig vor den Karren ausgerechner jener spannen zu lassen, die von der eigenen Arbeit weit mehr profitieren als man selbst, das ist schon ein schwaches Stück, und man fragt sich unwillkürlich, weshalb man wen lesen soll, der nicht mal sekundenlang geradeausdenken kann. Nicht mal dann, wenn es um die ureigensten Interessen geht. Man könnte diesen 1.500 vermutlich sogar die Socken verkaufen, die sie gerade tragen.

Oder? Was habe ich übersehen? Was haben die Autoren von der Boykott-Aufforderung? Danach endlich bessere, fairere Konditionen? 22% vom Ladenpreis? Oder wenigstens 8% (im Taschenbuch)? Höhere Absätze? Mehr Anerkennung? Rente? Die Möglichkeit, bei den Eltern auszuziehen?

Nö. Nix. Der Streit ist einer zwischen Multis, die beide – verständlicherweise und systemimmanent – ihren optimalen Margen im Blick haben und sich mit harten Bandagen streiten. Amazon macht dabei den Autoren ein unständiges Angebot, die Verlage und der Buchhandel aber sind smart genug, die Autoren nicht mit einem besseren Angebot an sich zu binden, sondern diese dumpfe Horde unter dem Deckmäntelchen „Kulturkampf“ an die Front zu schicken. Sofern das klappt (wird´s ja nicht), hätten die Autoren davon: exakt nichts. Und Verlage und Buchhandel: ihr überkommenes, im Biotop „Buchpreisbindung“ eh gut geschütztes Geschäftsmodell gerettet.

Herrlich.

(P.S.: Doch, logisch. Hat das alles was mit dem Verbraucher zu tun. Dem sollte und muss man dringend klarmachen, dass er seine Weckgläser, Socken, Luftmatratzen und Bücher in einem kleinen Laden bei sich „ums Eck“ kaufen soll, weil sonst in genau dieser lokalen Ecke die Arbeitsplätze verschwinden, inklusive des eigenen. Aber das ist kein Thema des Buchhandels, sondern ein größeres. Hier Bewußtsein zu schaffen, wäre ehrenwert. Sogar für Autoren (als Verbraucher).)

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„Kann ich mal eins von deinen Drehbüchern lesen?“ (Künstlerdämmerung #23)

Stimmt ja auch: Wenn einer mir sagt, er sei „Mechatroniker“, stelle ich mir darunter garantiert irgendwas vor, was nicht exakt der Wirklichkeit entspricht. Aber immerhin gehe ich davon aus, dass man als Mechatroniker einiges können muss, was ich nicht kann.

Fragen hingegen freundliche Menschen mich, ob sie mal ein Drehbuch von mir lesen könnten, ergibt sich relativ rasch, dass eigentlich jede/r denkt, ein „Drehbuch“ sei eine Prosa-Shortstory, aus der dann „Filmleute“, also vor allem ein Regisseur und ein Kameramann, einen Film entwickeln – und die Dialoge, die denken sich die Schauspieler vor Ort aus, am Set.

Sofern ich bei solch mißverständlichen Gelegenheiten meinen Rechner dabei habe, kann ich zumindest entschuldigend aushelfen, denn Bilder sagen ja manchmal mehr als 1000 Worte.

Und, ja, das ist schon die Phase zwischen Version 3 und 4, also die Architektur des komplizierten Hochhauses incl. Inneneinrichtung. Habe ich Glück, ist der Regisseur zu diesem Arbeitszeitpunkt zumindest schon kommentierend zugegen (bei Fernsehproduktionen: selten). Jedenfalls obliegt es dem Autor, nicht nur sämtliche „Beats“ auf die Minute korrekt zu setzen, sondern auch jeden Dialog vorzuschreiben und sämtliche Szenen, exakt aufgedröselt, so zu gestalten, dass am Ende eine dramaturgisch perfekte Punktlandung herauskommt, also im engen Fernsehrahmen z. B.: 88:30. Oder 91:30 (bis zu 10% Überhang für die post production sind ggf. eine gute Idee).

Nach diesem circa Dreivierteljahr Autorenarbeit kommt dann (beim Fernseh) der „Spielleiter“. Also: Regisseur. (Und, nein, Schauspieler denken sich ihre Dialoge nicht selbst aus).

Immerhin weiß ich aber jetzt, weshalb Autoren generell als beneidenswerte Faulpelze gelten, die nicht arbeiten müssen, sondern nur zu Hause sitzen und kleine Prosa-Stories hinschreiben – aus denen dann andere Leute tolle Filme machen. (Mal ehrlich: Schreiben kann doch fast jeder, der zur Schule gegangen ist, oder?)

(Aber keine Sorge – falls auch Sie das bisher auch ganz unterbewusst dachten: Die meisten deutschen Fernsehredakteure kennen nicht mal die Software, mit der echte Autoren arbeiten. Geschweige denn kennen sie Dinge wie „Beats“ oder andere strikte Erfolgsformeln für erfolgreiche Filme. In der Hinsicht sind wir Deutschen stolz auf unsere Eigenständigkeit, vulgo: Kauzigkeit, denn was im Rest der Welt seit mehr als 20 Jahren Standard ist, wird hierzulande schlicht als neumodischer Kram abgelehnt. Der normale Redakteur besteht sogar darauf, dass Autoren mit dem Äquivalent eines Faustkeils schreiben (Microsoft Word) statt mit dem Äquivalent eines Computers (siehe oben). Denn das – „haben wir schon immer so gemacht“.

Offen gestanden, psst, unter uns, meine Damen, meine Herren: Das sieht man.

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Die Zukunft hinter uns

„Es gab und gibt menschliche Gemeinschaften, in deren Verständnis Zukunft etwas ist, das hinter einem liegt, weil man es eben nicht sehen kann; was vor einem liegt, ist offensichtlich die Vergangenheit, die man sehen kann, weil man sie erlebt hat. Diese Menschen gehen nicht in die Zukunft, sie warten auf die Zukunft.“

Wer bei diesem Satz aufmerkt und plötzlich denkt, dass wir doch besser im Hier und Jetzt was ändern sollten, als wegen zukünftiger kapitaler Nebelschlösser alles Menschliche dem Fortschreiten zu opfern, der gönne sich Sascha Mamczaks ebenso kluge wie prägnante Kurzschrift: Die Zukunft (Eine Einführung).

An der Ausführung lässt sich dann ja vielleicht noch was ändern. (Obwohl: selbst wenn bei unerhörten 20% der Groschen (veraltet) fiele: wie könnten wir den Rest der Herde am entschlossenen Zuschreiten auf den Abgrund hindern? Wer einen Hirten im Handschuhfach findet: Bitte melden.)

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Wir Lobbylosen (Künstlerdämmerung #22)

„Hobbylos“ ist ja durchaus ein schick schmähendes Adjektiv (der Generation meiner jüngeren Töchter), „lobbylos“ sollte aber bitte bei älteren Herrschaften wie uns ebenso vernichtend eingeführt werden. Tatsächlich ist nämlich Lobbylosigkeit im Transferempfänger-und-Angestelltenwunderland verheerend. Und zwar nicht nur für gesundheitlich Angeschlagene zwischen Kassen- und Pharma-Mühlsteinen, sondern auch für ganz gesunde Autoren und Redakteuere, sofern letztere den Fehler machen, zum Beispiel Frauen zu sein und mit 40 noch Kinder zu bekommen. Die Strafe folgt nämlich auf dem Fuß und heißt „ab jetzt freiberuflich bei Verzicht auf alle Pensionsansprüche“ – außer frau gibt den Frischling nach maximal 12 Monaten Lebenszeit in die Obhut von staatsangestellten Verwalterinnen. Idealerweise (für das System) wird frau dann krank vor Streß und Kummer und verliert, so sie nicht die empfohlenen Medikamente spritzt, auch noch ihren Anspruch auf Kassenleistungen. Aber das wird erst 2016 Gesetz, keine Sorge.

Uns freien Fernseh- und Filmautoren geht´s da vergleichsweise gut, denn wir haben ja gar keinen Rentenanspruch, den wir verlieren könnten. Die öffentlich-rechtlichen Sender brauchen weiterhin 70% des GEZ-Schutzgeldes für ihre Frühpensionäre und fast den ganzen Rest für deren Verwaltung. Was bleibt, überweisen die Sender nach Dänemark oder Schweden und nennen ihre hauseigenen Produktionen „Co-Produzenten“. Deutsche Autoren können hierbei aber leider nicht beschäftigt werden, denn verständlicherweise schützen Dänen und Schweden die ihren. Also: ihre Autoren. Würde ich auch so machen. Als Däne oder Schwede.

Hilft eigentlich nur noch: Englisch lernen. Hab ich ein Glück, dass ich wenigstens das mal nicht muss. (Und, hey, besser die chinesische Blockbustertaube in der Hand als Spatzenhirne auf dem Stoffdach.)

P.S.: Nein, J., ich kenne immer noch keinen bei der BBC, der auf uns nur gewartet hat. Verstehe ich zwar nicht, aber man munkelt, es gebe auch in Großbritannien Autoren, sogar einheimische.

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Quintessenzen mit Ton

„Wenn man nicht Auto fährt und nicht bügelt, weiß ich in der Tat nicht, was Hörbücher sollen“ (Harry Rowohlt) – stimmt (außer wenn man gern hörend einschläft, was man allerdings nicht mit den Varianten oben verbinden sollte). Aber wenn man schon mal die einmalige Gelegenheit hat, einen eigenen Bestseller auch noch selbst „einzulesen“ zu dürfen, und dann noch für einen ganz wunderbaren Hörverlag, dann macht man das natürlich. Und sei es nur, um anschließend ein ungeheuer lautes Loblied auf jene Menschen singen zu können, die so was professionell betreiben. Denn ließe man Leute wie mich das machen, würden Hörbücher nicht 9.99 € oder 19.99 € kosten, sondern 299 €. Und sämtliche deutschen Tonmeister wären Nervenwracks.

Dass also das Ergebnis ganz erstaunlich wunderbar geraten ist, verdankt der geneigte Hörer mehr oder minder ausschließlich Meister Karsten Deutschmann, der im Booklet viel zu klein erwähnt ist, denn eigentlich müsste vorn auf dem CD-Cover sein Name stehen – und nicht meiner. Für die gute Stimme kann ich ja nichts, die Bänderanatomie hab ich mir nicht selbst gebaut, die Texte sind mir zugeflogen, und das einzige, was ich bewusst steuern konnte, war: gefühlt 8.000 x pro Satz neu ansetzen. Was am Ende, nach fertiger Produktion und hocherfreuter Abnahme durch den Verlag, zu folgendem Mailwortwechsel zwischen Studiochef Henry Sperling und dem Sprecher führte:

HS: Hab am Freitag mit Frau Steinbach noch länger nett geplaudert. Die sind ja alle dort wirklich angetan, aber das willst du gar nicht wissen, ich sachs aber trotzdem … obwohl du das ja gar nicht wissen willst … sag ich das aber trotzdem …

SB: Ich glaub, wenn man mich vierhundert Mal aus ner Kanone über ne Eisfläche schießt und das mit Zoom filmt, dann sieht das am Ende in nem 30-Sekunden-MTV-Clip auch fast so aus, als könnt ich Schlittschuhlaufen.

Ich höre von jetzt an Hörbücher mit anderen Ohren. Denn die, die das normalerweise machen, bringen nicht 5 Tage mit 160 Seiten zu, sondern schaffen in der Zeit vermutlich 500. Und verlesen sich nicht. Und müssen sich nie räuspern. Oder höchstens dreimal pro 20 Seiten. Wären die wie ich, wären längst alle Hörbuchverlage pleite. So trage ich ab jetzt bei jedem Gang in frischer Luft einen Hut, damit ich den sofort ziehen kann, sobald ich einen echten Sprecher treffe. Meine Herren! Und meine Damen! Phantastisch! Großartig! Unfassbar! Hohe Kunst! Chapeau!

Und Karsten: Danke. Hunderttausendfach. Sowie ebenfalls und doppelt: Chapeau. Es klingt wirklich wunderbar. Als wär´s ein Sonntagsspaziergang gewesen, leicht, heiter, weise und entspannt, und kein Höllenritt. (Wir sagen das einfach keinem, okay? Merken wird´s ja keiner. Kann ja keiner. Ha! Du Genie!)

Einkaufswege (informierte): entweder direkt über die Verlagswebseite – wer auf diesem Weg bestellt, tut dem tapferen Steinbachverlag einen Gefallen, denn so bleibt nichts im Zwischenhandel hängen. Alternativ, per Click aufs Cover:

Auf diesem Weg via Amazonas-Gebiet erhält der „Zwischenhändler“ (in diesem Fall = ich) allein fürs Vermitteln mehr als der Autor (in diesem Fall = ich) für´s Schreiben des Buchs, sprich: 5% vom Verkaufspreis (ohne Mehrkosten für den Käufer). Absurd? Total. Aber diese 5% gehen an www.lsms.info, nützen also ebenfalls tapferen Menschen.

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Zu viele gebratene Tauben in der Muttermilch

Verheerend, was Mythen und Märchen so alles anrichten können. Da wächst man unschuldig auf und verinnerlicht tief im infantilen Hirn die Mär von der Vertreibung aus dem Paradies, merkt sich aber nur „Schlange“ und „Eva“ – um auch diese beiden später, als rationaler Erwachsener, ins Reich der Fabel zu verweisen. Der Subtext aber bleibt gespeichert, frei und sinngemäß: Vorher, im Paradies, waren wir (= Gottesebenbilder) glücklich und mussten nicht arbeiten – wir konnten einfach die von Gottvater exklusiv für uns erschaffenen Gaben von den Bäumen pflücken, wahlweise bereits gebraten verspeisen. Nicht mal hierzulande aufgewachsene Atheisten stellen diesen Kern der Fabel in Frage – man kann ja auch ohne Gebetbuch Rohkostler werden.

Eine Tücke hat das Ganze aber. Denn Obst und Gemüse können nicht lesen, wissen also gar nichts von der Ansage unseres Schöpfers, dass sie uns nahrhaft zur Verfügung zu stehen haben. Einige Gemüsearten machen aus ihrer gottlosen Legasthenie indes kein Hehl und werden regelrecht fies, wenn wir sie einfach so beißen – die gemeine Kartoffel reagiert regbuchstäblich giftig, aus dem Konfirmationsunterricht würde die hochkant rausfliegen. Möhren hingegen sind offenbar milder veranlagt (auch wenn sie ihre wertvollsten Inhaltsstoffe erst hergeben, wenn wir sie schreddern und mit Öl vermischen), während – immerhin – alles Obst der Ansage unseres Gottes offenbar klaglos folgt.

Wer so was glaubt (ohne je darüber nachgedacht zu haben), hat nicht nur ein größeres philosophisches Problem, die wahren Zusammenhänge in Natur und Kosmos zu begreifen, sondern vermutlich auch echte Probleme, „gesundes Essen“ zu verstehen. Deshalb schreiben wir uns jetzt mal kollektiv hinter die Löffel: Keine Pflanze will von uns gegessen werden. Oder, halt, doch! Obst will von uns gegessen werden, mit Kern, denn dieser Kern wandert durch unseren Darm und landet mit obstgeeigneter, uns entwendeter Nahrung (Darminhalt) auf fruchtbarem Boden, wo er sich erneut in eine Pflanze verwandeln kann. Das jedenfalls ist der Plan des Obstes. Deshalb macht es sich so verlockend bunt und buhlt um blöde Fresser. Zum Glück hat sich in Obstkreisen bis heute nicht herumgesprochen, dass der Plan bei uns Menschen evolutionär gescheitert ist, seit wir nicht mehr an der frischen Luft unsere Notdurft verrichten. Sollte Obst das je mitbekommen und sich anpassen, hätten wir ein echtes Problem …

Aber nicht nur Obst ist egoistisch. Auch Paprika schützt sich gegen Freßfeinde wie uns. Und Getreide wächst schon mal ganz und gar nicht, um uns zu dienen, sondern schützt sich mit feinen Haken und harten Schalen gegen jeden diesbezüglichen Versuch.

Dass wir so schlau waren, in diesem Wettkampf mit Werkzeugen und Feuer die Verteidigungslinien der unwilligen anderen Arten zu durchbrechen, macht uns seit ein paar hunderttausend Jahren so erfolgreich. Wohl wahr. Man bedenke aber bei der Nahrungszusammenstellung und –aufnahme ein zweites Naturgesetz: Was tot ist und auf den Boden fällt, wird verstoffwechselt. Und zwar mittels der vier Elemente, angeführt von Luft, vulgo: Sauerstoff. Sofern Sie je längere Zeit eine Leiche bei sich im Garten liegen hatten, wissen Sie das aus persönlicher Anschauung: der Sauerstoff, zu Lebzeiten des Verblichenen essentiell dienlich, schaltet unmittelbar nach dem Ableben um auf Zersetzung. Bei Obst, Gemüse und Getreide macht er das allerdings genauso – und zwar gnadenlos. Schon ein verletzter Apfel wird umgehend vom Sauerstoff attackiert und zerlegt, wie wir an der braungefärbten Hautreaktion der offenen Wunde sehen. Grundsätzlich ist „Verstorbenes“ daher binnen spätestens zwei Tagen an der frischen Luft wirklich tot – und ungenießbar. Komischerweise machen wir uns aber nie klar, dass dies auch für das störrische Getreide gilt. Und dass ein Getreidekorn weiß, dass es tot ist, sobald man seinen Fettkeim schreddert. Zermahlen wird echtes Getreide daher binnen zwei Tagen – ranzig. Und ungenießbar. Sprich: Vollkornmehl muss direkt und unmittelbar nach der Vermahlung mit anderen nützlichen Substanzen vermischt und schleunigst bei hohen Temperaturen verbacken werden, um überhaupt genießbar (und im besten Sinn lebensspendend) zu sein. Und spätestens weitere 5 Tage nach Anwendung dieses unseren feinen Tricks müssen wir uns die Lebensenergie des Getreides komplett einverleibt und diese wieder selbst verstoffwechselt haben, denn nach 5 Tagen endet auch die Konservierungszeit mittels Backen – und vor uns liegt endgültig ein harter, ungenießbarer Klumpen toter Substanzen.

Kein Problem – Sie verwenden ja Vollkornmehl aus dem Reformhaus? Denken Sie noch mal kurz drüber nach … (und werfen Sie einen Blick auf das unmögliche Haltbarkeitsdatum).

(Fortsetzung folgt garantiert. Muss nur kurz an die Getreidemühle …)

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