Künstlerdämmerung (#15)

Keine Sorge, diesmal wird nicht gejammert. Angesichts so vieler wunderbarer TV-Serien müssen ja nun wahrlich nicht auch noch wir Deutschen versuchen, etwas Gescheites auf den Beine resp. Schirme zu stellen, und solange man nicht meint, vom Drehbuchschreiben leben zu wollen, besteht in unseren paradiesischen Tablet-Watchever-AMC-HBO-Zeiten keinerlei Anlass zur Klage. Wer aus leidenschaftlichen Gründen trotzdem mehr über das hochspannende „Golden Age“ und die Hintergründe der Revolution wissen möchte, die an uns und unseren Sendern so komplett vorbeigerauscht ist, findet indes inzwischen wirklich schöne Geschichtsbücher und Dokumentationen vor, in denen auch die Schöpfer dieser großartigen neuen Welten von „Sopranos“ bis „The Wire“, von „Breaking Bad“ bis „Mad Men“ zu Wort kommen und höchstpersönlich präsentiert werden.

Einstieg mit Bildern: It´s More Than TV! von Christoph Dreher, abzurufen in der Arte-Mediathek; Vertiefung ohne Bilder, ausführlicher und schöner: Difficult Men – Behind the Scenes of a Creative Revolution von Brett Martin (ca. 20 €) und The Revolution was Televised – The Cops, Crooks, Slingers and Slayers Who Changed TV Drama Forever von Alan Sepinwell (12,80 €)

Das Erfolgsgeheimnis der Autoren („Keine Kompromisse“) ist auf Deutschland nicht zu übertragen. Unser VDD, also der Verband der Drehbuchautoren, ist vor Existenzangst inzwischen so klein mit Hut, dass man ihn gar nicht mehr sieht, und die neuen Rahmenbedingungen verhindern endgültig, dass TV-Drehbuchautoren jemals werden zuhause ausziehen können. Das alles beherrschende kreative Thema bleibt daher auch zukünftig „Angst“, denn wer meint, verhandeln zu können, wird schlicht und ergreifend ausgeschlossen und muss zusehen, welcher Getränkemarkt noch Hilfsstapler sucht. Der Hinweis der Produzentenallianz, das kreative Fernsehpersonal (lies: nicht festangestellt) befinde sich seit längerem auf dem steilen Weg ins Prekariat, ist ebenso sachlich vollkorrekt wie völlig wurscht, denn dieses Gejammer interessiert ja nun wirklich keinen (wegen siehe oben: Es gibt doch wahrlich genug gutes Zeug im Fernseh, auch ohne uns deutsche Autoren.)

Zukünftig wird sich in dieser Hinsicht aber etwas bewegen, und zwar erst recht in die falsche Richtung, denn welcher Politiker könnte der Versuchung widerstehen, die neuen Runkfunkgebühren des Michel lautstark um 50 Cent im Monat zu senken, mit dem berechtigten Hinweis auf das sagenhafte Budget der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten. Die allerdings werden nach diesem Verlust in Höhe des 500-Millionen-Euro-Wählergeschenks nicht etwa ihre Verwaltung zusammenstampfen, sondern die Kosten – wie gewohnt – den freien Kreativen in Rechnung stellen. Der Zusatzhinweis auf den „Quotendruck“ wird dann alle weiteren Diskussionen – wie gewohnt – im Keim ersticken, und wir schauen weiter in die Röhre, resp. Champions League und Wetten, dass?

Immerhin: während unsere Schauspieler nur noch bei Starbucks gut aussehen können, bleiben uns 400o+ Autoren ein paar originelle Arbeitsnischen. Nichts Intelligentes, keine „Horizontale“, wohl aber: Krimis! Säckeweise! Mit Leichen, immer! Fällen, die binnen 45 oder 90 Minuten sauber gelöst sind. Von Polizisten. Oder Anwälten. Ärzte gehen auch. Die binnen 45 Minuten alles heilen. Sowie romantische Komödien, solange die Heldinnen Heldinnen sind, keine Typen. Und alles mit Kühen, Eifel oder Ku´Damm im Hintergrund. Hauptsache, nach 22 Uhr bleiben keine potenziell nachtruhestörenden Fragen offen. „Alles andere“, so wortwörtlich und unisono die Cheffes der entsprechenden Vereine, „wollen unsere Zuschauer nicht sehen.“

Deren Zuschauer. Okay. Die anderen Zuschauer, also wir, greifen zum Tablet. Und die Autoren zu Tabletten (stimmungsaufhellend, Waldmeistergeschmack, Placebo).

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Tapferheiterkeitsmedaillen

Danke, R. – für Karl Valentin: „Ich freue mich, wenn es regnet. Denn wenn ich mich nicht freue, regnet es auch.“ Und Danke auch euch anderen, die ihr so großartig, tapfer und völlig unbemerkt von euren vorwiegend verwackelten Mitmenschen euer Leben meistert und anderen über den dramatischen Verlust ihrer Pokemons oder mehrerer Haupthaare hinweghelft, obwohl ihr selbst im Rollstuhl sitzt. Ich danke euch für all eure Zeilen, denn ihr seid Sonne, Luft und Wasser auf Erden mit eurem Leuchten, das von innen nach außen strahlt. Danke für die von euch wohltuend aus der Ferne hergestellte Gewißheit, dass zwischen den Horden Besinnungsloser doch haufenweise Lichtgestalten wandeln und wirken.

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Nichtglauben

Was für ein Irrglaube, man könne auf die vermutlich religiös klingende Frage „Woran glaubst Du?“ wahrheitsgemäß antworten: „An nichts“. Meinen könnte man natürlich, auch und gerade im Advent: „Nicht an Gott“, was zulässig wäre und mit dem Zusatz „und an die anderen Götter auch nicht“ sogar klug, verriete es doch, dass der Antwortende sich ein paar Gedanken gemacht hat und weiß, dass Götter Menschenwunsch sind, Menschenwerk – und keine dicken Bücher schreiben. Damit glaubt der Antwortende aber noch nicht an „Nichts“, denn aus seinem wie auch immer unreflektierten Glauben ergibt sich sein alltägliches Handeln, und mit einem Glauben an „Nichts“ verhielte er sich garantiert nicht so, wie er sich verhält – sofern er eben nicht nach Lust und Laune Passanten abknallt oder sonstwie alle fünf Elemente gerade sein lässt.

Die Antwort „an nichts“ ist also bloß souverän klingender Ausweis von Faulheit im Denken und Fühlen, verbunden mit schweigendem Schlachterhundgemüt. Gott und Götter sind für den aufgeklärten Antwortenden gestorben, mit ihnen aber bequemerweise auch alle sich aus den dicken Menschenfabelbüchern ergebenden Ansprüche, Gebote, Bergpredigt-Vorschriften und der ganze andere niedergeschriebene nützliche Aberglaube. Ersetzt worden ist all dies aber mitnichten durch ein Bekenntnis zum „Nichts“, sondern durch bequeme Verantwortungslosigkeit dem Leben, dem (anderen) Menschen und der Schöpfung gegenüber. So meint der „An Nichts“ Antwortende eben nur „Ich glaube, dass ich in dieser temporären Existenz kommentarlos über Leichen gehen kann, die ich mir nicht mal ansehen muss.“

Buddha Eastwood sagt: Wer die nächste Runde im Cockpit einer Küchenschabe starten möchte – go ahead, punk, make my day.

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Zombies 3.0

Die dritte Staffel von „The Walking Dead“ ist für Harburger nicht schockierend, für uns ist das alles bloß optischer Alltag (jedenfalls in der Fußgängerzone). Die Serie hat sich aber jedenfalls wider Erwarten nicht totgelaufen (sorry …), sondern entwickelt sich folgerichtig weiter – Panik und Sorge wegen der „Walker“ lassen bei den Protagonisten wie beim Publikum nach, das Ausschalten der widerwärtigen Untoten gerät zur fast beiläufigen Splatter-Routine, und in den Vordergrund treten mit Staffel 3 endgültig die wahren Monster, also: des Menschen Wolf, die anderen Menschen. Derer gibt es nämlich doch einige mehr als unser bislang doch sehr einsames tapferes Dutzend, und der Antagonist der dritten Staffel, der „Gouverneur“, ist tatsächlich schaurig gelungen (sowie dankenswerterweise wenigstens minimal weniger abgrundteuflisch gestaltet als in den Comic-Vorlagen, aber bei Umsetzung derer hätte man aus „FSK 18“  vermutlich „FSK Alle“ machen müssen. Überdies dürfte den Machern von „Walking Dead“ der Preis für die erschütterndste Serienepisode aller Zeiten bis auf weiteres nicht mehr zu nehmen sein, jedenfalls fehlt mir die Phantasie, wie man die # 4 dieser Staffel in dramatisch-emotionaler Hinsicht jemals übertreffen sollte. Sollte so was je wieder vorkommen, bitte ich um einen Spoiler zur rechten Zeit, denn dann sehe ich mir das nicht an.

Leicht unwohl ist mir trotzdem, trotz der künstlerischen Höhe, auf der die AMC-Toten so erfolgreich wandeln. Denn die Vorbereitung auf die Endzeit nimmt ja tatsächlich immer kernigere Kunstform an, und so wir alle von „The Walking Dead“ lernen, stehen Empathie und Zusammenhalt ab kurz danach nicht mal mehr unter ferner liefen auf dem Optionsplan in Sachen Verhalten. Was die ganze Endzeit dann noch ein bißchen finsterer machen wird oder wenigstens zügiger tödlich für 95% der Bevölkerung.

Noch erheblich unappetitlicher als TWD kommt mir allerdings in diesem untoten Zusammenhang die vom US-Verteidigungsministerium gesponsorte Zombie-Variante  vor, denn World War Z ist wirklich schlimmer Schrott resp. eine den Powers To Be äußerst dienliche Dystopie. Immerhin wird hier als „gesetzt“ quer durchs Popcorn-Kino propagiert (Widerspruch ist zwecklos): a) das Ende ist nah (wenn wir so weitermachen), b) es gibt keine Alternative VOR dem Crash, c) die Armee und einzelne Helden (alles US-Amerikaner und Israelis, gutaussehend) werden´s schon richten, d) die Palästinenser sind sowieso alle Zombies und d) die vertrauenswürdigste Institution der ganzen weiten Welt ist die WHO.

Dem Publikum scheint das inzwischen nicht mal mehr am Rande aufzufallen, denn World War Z erhält vom Schwarm eindeutig viel zu viele imdb-Sterne. Die dauernde Gehirnwäsche wirkt also offenbar gründlich; mit Zombies wär das nicht passiert.

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MS für Anfänger

Wie gewünscht & versprochen anhängend (und rechts als fester Link) meine paar unmaßgeblichen Anmerkungen zur MS (für Anfänger, die keine Fortgeschrittenen werden wollen). Ich bitte um Nachsicht, falls sich noch hier oder dort Tippfehler (oder gar sachliche Fehler) eingeschlichen haben und hoffe auf Ihre Korrekturen, Ergänzungen und Richtigstellungen.

Download (.pdf): MSfAn_V3

Besten Dank. Mögen die paar Seiten auf Ihre gesammelten Fragen Auskunft geben – und mögen sie dem einen oder anderen nützen.

P.S.: Änderungen und Ergänzungen gegenüber den Versionen 1 – 2c sind eingefügt (19.02.). Vielen Dank für Ihre Anmerkungen. (Weitere Updates folgen, als tragbares e-book gibt´s den Text auch, für den Amazon Kindle, und zwar per Klick auf das Cover -> rechts in der Leiste (ziemlich weit oben). Mich erreichen etwa 2 € der 2,99 €, die das 60-Seiten-„Buch“ Sie kostet. Was an Einnahmen zusammenkommt, wird gesammelt und kommt garantiert MS-Betroffenen zugute (nicht nur diesem einen, keine Sorge).

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Zu Salm und Samsara

Christiane zu Salms „Dieser Mensch war ich – Nachrufe auf das eigene Leben“ (Goldmann) funktioniert ganz wunderbar, und das auf verblüffende Weise. Das Buch der früheren höchst erfolgreichen Medienmanagerin und heutigen freiwilligen Sterbebegleiterin dient wohl durchaus als „Geschenk an alle, die leben“ (so Herrn Schirrmachers Shout auf der Klappe), und vermutlich wird tatsächlich mancher, der´s liest, „sein Leben noch einmal überdenken“ (Frau Furtwängler, ebd.). Überdenken wohl allerdings primär, weil die hier versammelten, jeweils 2-3 Seiten kurzen letzten „Eigen-Nachrufe“ zahlreicher ganz gewöhnlicher Sterbender überwiegend so herzzerreißend uninspiriert sind. Zu Salm lässt dieses gewaltige Nichts unkommentiert stehen, bleibt also vollständig neutral – und äußert schweigend mehr, als sie mit jedem Kommentar hätte sagen können. Das reine Plätschern der ganz ohne Sinn Vergehenden untermalt nämlich mit zunehmend hohlem Klang die von zu Salm in der Einleitung geäußerte quintessentielle Überzeugung, man müsse sein Leben beizeiten (also: jetzt) aus der Nachruf-Perspektive gestalten, immer mit Welzers Frage im Sinn „Wer möchtest du gewesen sein?“

Diese entscheidende Frage haben sich indes wohl höchstens eine Handvoll der geschilderten Abgelebten je gestellt, entsprechend banal sind die Leben der anderen geraten, entsprechend banal (gelegentlich grotesk) deren letzte Anmerkungen, Fragen und Vorwürfe. Und genau hierin liegt tatsächlich die perfide Stärke des Buches, denn letzte Bemerkungen wie die hier dokumentierten möchte man nun wahrlich ums Verrecken (sic) nicht zuletzt zu Protokoll geben.

Sicher, es gibt Ausnahmen. Wohltuende. Letzte Worte von Menschen, die schon zu Lebzeiten Wege gesucht und gefunden haben, ihrer Existenz einen geeigneten tieferen Sinn zu verleihen. Das sind dann die zarten Leuchttürme, gegen Sammlungsende zahlreicher werdend, in dieser überaus intelligenten Schrift, die ebenso gut (aber weniger gut verkäuflich) unter dem uralten Motto stehen könnte: „Niemand ist nutzlos – er kann immerhin als schlechtes Beispiel dienen.“

Davon hat´s hier Unmengen, und im vollendet höflichen Zurücktreten gelingt Christiane zu Salm mit diesem „Format“ ein wahrhaft großer Wurf, der garantiert das eine oder andere bis heute ungelebte Leben in ein gelebtes verwandelt. Rückblickend, später, von heute aus gedacht, selbstredend.

(Dem Strom der Worte, zwischen denen die Botschaft schimmernd aufsteigt, lasse man (am besten mit 1, 2 Tagen Abstand) Ron Frickes Bilderstrom Samsara folgen – ein wahrlich gewaltiges und wortloses Werk über die Schönheit, vor allem aber die Vergänglichkeit allen Seins. Im Zusammenspiel mit siehe oben sollten sich anschließend glasklar neue Wege und angemessene gut gelaunte Demut umgehend einstellen.)

Christiane zu SalmDieser Mensch war ich – Nachrufe auf das eigene Leben (Goldmann, Oktober 2013, 256 S., 17.99 €)
Ron FrickeSamsara (2011/13) (Blu Ray/DVD, ca. 14-17 €)
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SWR Leute & (marginal) Quintessenzen

Bei Interesse: audio oder video.

(Und Danke für die vielen freundlichen Zuschriften – noch ausstehende Fragen beantworte ich möglichst umgehend, bitte um Nachsicht und etwas Geduld, wenn´s manchmal ein paar Tage dauert …)

P.S.: Der solitäre Hörervorwurf, ich wolle doch bloß meine Bücher promoten und Leuten Geld aus der Tasche ziehen, trifft´s nicht so ganz. Oder genauer: gar nicht. Natürlich freue ich mich, wenn jemand die „Quintessenzen“ auch als echtes Buch gern um sich hat, aber die Inhalte sind bei Bedarf (und/oder extrem schmalem Budget) komplett frei zugänglich, auf der von Stefan Wallraven und Heiko Kiendl-Müller ebenso schön wie smart gestalteten Seite quintessenzen.net.  Bildschön gebunden und gedruckt kann der Verlag das Buch aber nicht auch noch verschenken müssen, das ginge nun wirklich zu weit.

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