Auch wenn ich mangels Gesundheit nicht wie erwünscht an der garantiert guten swr-Veranstaltung zum Thema „Wer heilt, hat recht“ (4. Oktober, 22.00 h, swr 3) teilnehmen kann (Stuttgart ist weit, und mir geht´s ja im Herbst generell nicht allzu sonnig), will ich doch ggf. interessierten Betroffenen meinen Senf nicht vollständig vorenthalten, zumal ich ihn als freiwilliger Redaktionsassistent ja bereits intern abgegeben durfte (nachdem man mich unvorsichtigerweise darum gebeten hatte). Drum, bei Interesse, hier meine paar Kerngedenken zum Thema:
„Wir alle, als Gesellschaft, sind einverstanden mit der derzeitigen gesetzlichen Regelung, die besagt: Es ist völlig in Ordnung, wenn einer sich an Leid und Krankheit anderer bereichert. Fänden wir das nicht in Ordnung, gäbe es keine börsennotierte Gesundheits- und Pharmaindustrie. Keine Gewinnmaximierung auf Kosten von AIDS-, Krebs- oder eben auch MS-Kranken. Aber dass die „Marktteilnehmer“ alles tun, was gesetzlich erlaubt ist, kann man ihnen nicht vorwerfen. Wohl aber uns, als Gesellschaft, und unseren gewählten Vertretern. Kurz: Sobald wir uns moralisch besinnen und das Gewinnmaximieren auf dem Rücken Leidender verbieten, haben wir ein bezahlbares Gesundheitssystem, bezahlbare Medikamente und Forschung im Sinn der Patienten. Solange wir Gewinne durch Leid anderer erlauben, haben wir ein 2-Klasse-Gesundheitssystem, überteuerte Medikamente und Forschung im Sinn der Industrie.
Diese „Quintessenz“ steht deshalb vor allem anderen, weil sie erklärt, weshalb der normalgebildete schwer Erkrankte chancenlos ist. Es gibt keinerlei Forschung, die herauszufinden versucht, was man ggf. weglassen könnte, um den eigenen Gesundheitszustand wiederherzustellen. Überdies fehlt jede belastbare Studie, welchen Einfluss Umwelt- und psychische Faktoren auf die Entstehung und Progression von Krankheiten haben, denn wer sollte solchen (teuren) Studien finanzieren? Siehe oben: die „Marktteilnehmer“ müssen sich vernünftig verhalten und vor jeder Studie die Frage beantworten: rentiert sich das? Kommt das aufgewendete Kapital auch wieder zurück, und zwar verzinst, also zuzüglich Gewinn? Für alle Studien, die wir dringend brauchten, lautet die Industrie-Antwort zurecht: Nein.
Was bleibt? Erfahrungsberichte ohne jede empirische Grundlage. Allerdings kranken (sic) diese Erfahrungsberichte an einer menschlichen Schwäche, denn wer gesund wird, stellt gern einen kausalen Zusammenhang zu seiner zuletzt vorgenommenen Lebensveränderung her – und neigt dazu, diesen Kausalzusammenhang zu verallgemeinern. Seit ich öfter in Artikeln vorkomme, erhalte ich viele Zuschriften. Die meisten sind einfach rührend und Ausdruck von zurückgewonnenem Lebensmut, aber es sind auch viele darunter, die das Geheimrezept kennen. Hundestaupe-Nosoden, Enzyme, Vitamin B12, Antibiotika-Kuren alle 4 Wochen, Meditation, positive Gedanken.
Ich glaube, dass das alles stimmt. Und zwar alles im Einzelfall. Denn obwohl wir alle uns zu 98% gleichen in unseren Wünschen, müssen wir im Fall einer Störung das Problem im Individuum suchen.
Quintessentiell festzuhalten ist dabei: Körper wollen gesund sein. Heil sein. Und leben. Alles: dringend. Daran arbeiten unsere Körper, das ist ihr einziger Existenzzweck, Selbsterhaltung. Deshalb reparieren sie sich tagein, tagaus, auch wenn wir davon nichts merken, weil die Reparaturen in den Zellen stattfinden. Autoimmunerkrankungen „bekämpfen“ zu wollen ist daher, als würde man die Heizung im Keller sprengen, weil einem zu warm ist. Danach ist es kalt, zugegeben, aber das Haus ist kaputt. Statt zu kämpfen geht es darum, den Körper bei seinem Wunsch nach „Heilsein“ zu unterstützen, sprich: Positives zu verstärken UND alles Störende auf dem Weg zurück ins Körpergleichgewicht zu entfernen. Sowohl physisch wie psychisch.
In meinem Fall (endlich) bestand der Maßnahmenkatalog aus A) Stärkung in Form von Ernährungsumstellung (weitreichend), Zufuhr geeigneter molekularer Bausteine (von Q10 bis B12, von ALCAR bis Magnesium bis Leinöl, etc. pp.), Darmsanierung (pflanzlich von Myrrhinil bis Brennessel), symptomatischer Schmerzlinderung (Aspirin, ALA), Meditation, Qi Gong, Tai Chi, Visualisierung, Bogenschießen und vielen guten Gedanken. Sowie B) Entlastung in Form von Ernährungsumstellung (Weglassen von Milchprodukten, Eiern, Mehl, etc., in der Reset-Phase auch von Fleisch, Reduktion von Zucker, kompletter Verzicht auf Alkohol etc. pp.), Stressreduktion, Entsorgung toxischer Personen aus dem Umfeld, Umzug (wegen toxischer Belastung des Hauses und gleichzeitiger genetischer Fehldisposition des Erkrankten).
Das Ganze ist, abschließend bemerkt, wegen des Fehlens belastbarer Studien (siehe oben) ein „Trial-and-Error“-Spiel unter Zeitdruck. Ich erspare Ihnen die Um- und Abwege, die ich einschlagen musste, das würde den Rahmen endgültig sprengen).
Sollte die Frage je auftauchen: Nein, die Schulmedizin hat leider exakt gar keine hilfreichen Antworten parat. MS-Kranken wird direkt nach der Diagnose gesagt, sie seien „unheilbar“ (was definitiv nicht stimmt), danach können sie zwischen 4 Basistherapien wählen (täglich selbst zu injizieren, jährliche Kosten etwa 12.000 Euro), von denen Meta-Studien zufolge zumindest die Interferone über einen längeren Zeitraum keinerlei signifikante Unterschiede in Sachen „Behinderungsgrad“ gegenüber dem unbehandelten Krankheitsfall ausmachen, allerdings reichlich Nebenwirkungen haben. Exemplarisch sei hier MS-Experte John Noseworthy nach dem New England Journal of Medicine zitiert: „Alle Betainterferone sind teuer und haben vielfache Nebenwirkungen. Ihre Langzeitwirkung ist nicht bewiesen und neue Studien beschäftigen sich kritisch mit der Kosten-Nutzen-Relation dieser Substanzen. Daten zur Langzeitwirkung und Sicherheit der Medikamente fehlen. Die Begeisterung für diese Behandlungsarten, egal ob sie gleich nach Diagnosestellung oder im weiteren Verlauf eingeleitet wurden, wird gedämpft durch die enttäuschende Realität, dass die meisten Patienten trotz der Behandlung weiter Schübe haben und schließlich doch zunehmend behindert werden“, assistiert von einer Gruppe von sachlichen Ärzten der Mayo Clinic, die 2006 in Current Opinions in Neurology festhielt: „It is difficult to prove long term benefit of therapy in chronic disease characterized by individual variabilty and unpredictability and there exists no study that convincincly establishes a long-term improvement over natural history for any MS therapy.“
Begleitende Krankheitssymptome wie Fatigue und Kummer werden mit Granatenmedikamenten wie Lyrica (fies), Modafinil (inzwischen mW bei MS verboten) oder Prozac behandelt, Patientenfragen, ob man sonst noch etwas für sich tun könnte (sic) werden (wurden jedenfalls von meinen 6 Neurologen) unisono mit „Nein“ beantwortet, da Auslöser der Krankheit, Verlauf und die Ursachen für neuerliche Schübe sämtlich unbekannt sind. Das „Nein“ der Neurologen ist daher mehr als verwegen, das Verdikt „unheilbar“ absolut kontraproduktiv (und nach Aussage eines pensionierten MS-Neurologen, der mir schrieb, das überhaupt „größte Problem bei der Behandlung und für den Krankheitsverlauf der MS.“) Denn wer sich selbst für unheilbar hält, dem helfen auch keine Medikamente.
P.S.: Per Mail fragende Artikelleser: Don´t try this at home. Wer an seine Basismedikamente glaubt, unter täglichem Spritzeneinsatz schubfrei ist und einen kausalen Zusammenhang auch nur vermutet, sollte ebenfalls vermutlich weiterspritzen. Glaube versetzt nämlich Berge, erhebliche Zweifel stellen aber eben jene Berge auch wieder zurück. Die erheblich wichtigeren psychischen wie physischen Lebensumstellungen mit Hinweis auf „wieso, ich spritz doch?“ zu unterlassen, wäre allerdings IMHO hochgradig fahrlässig.