Kürzer

In seinem neuen Buch (s. u.) stellt Honorarprofessor Bernd Gäbler auf 192 Seiten viererlei vollkommen korrekt und vollkommen humorlos fest:

a) Dieter Bohlen erzieht unsere jungen Menschen zu ruppigem Benehmen, Konformität und zur Überzeugung, Erfolg lasse sich allein am eigenen Kontostand messen,

b) die sogenannten Geissens sind deshalb so beliebt, weil sie es dem Zuschauer endlich ermöglichen, arrogant auf Leute herabzuschauen, die ihm finanziell weit überlegen sind,

c) Heidi Klum erzieht unsere jungen Mädchen zu Kadavergehorsam,

d) Daniela Katzenberger ist auch nicht gut für den Kopf.

Das ist richtig. Und sollte so nicht sein.

Die verbleibenden 191 ½ Seiten sind Nacherzählung des Programms. Selbst wer das nicht allzu gut kennt (wie ich), kommt ohne aus.

Bernd Gäbler – Bohlst du noch oder klumst du schon? (GVH September 2013, 192 Seiten, 16.99 €).
Veröffentlicht unter Medien, Sachbuch | Schreib einen Kommentar

Phantastisches Jahr 2013

… wahlweise „Zukunftskultur 2013“ sollte der Heyne-Verlag vielleicht titelnd auf den Ziegelstein „Das Science Fiction Jahr 2013“ drucken lassen, um nicht alle Jahre wieder 90% jener Leser abzuschrecken, die das Ganze durchaus interessieren und erfreuen könnte. Andererseits wäre dann der Snob-Effekt hin, den ich ja selbst sehr zu schätzen weiß, also vergessen wir den Vorschlag doch gleich wieder.

Lästig an diesem klotzigen Liebhaberobjekt (992 Seiten) ist eigentlich nur, dass es so teuer ist. Nicht wegen des in Anbetracht der drinsteckenden Arbeit lächerlichen Preises (36,99 €), sondern wegen der langen Einkaufslisten, die nach Lektüre der Features, Buch- und Filmempfehlungen unweigerlich zusammenkommen. Aber da meine „SUB“* und SUFS seit letzter Woche eh so hoch und lang sind, dass ich sie in diesem Leben nicht mehr werde abtragen können, gebe ich auch gern weiter mein gesamtes Geld für sehens- und lesenswertes Material aus (die Folien bleiben, logisch, sicherheitshalber dran, das erhöht ja im Erben-Ernstfall den Momox-Wiederverkaufsstückwert von 0,003 € auf mindestens 50 Cent.)

Nerdiges Zeug enthält die Sammlung natürlich auch. Ausführliche Reviews der besten SF-Games der letzten Saison interessieren ja nicht mal mich (aber das auch nur, weil ich mangels Zeit nicht mal dazu komme, die ersten Level von Mass Effect 3 endlich durchzuspielen), und unter den zahlreichen besprochenen Romanen sind natürlich einige, die man sich garantiert problemlos entgehen lassen kann. Das gilt aber nicht für größere Teile der sogenannten Features, denn die gehören wahrhaftig nicht ins Science-Fiction-Ghetto, sondern mitten in die Überlegungen aller, die sich Gedanken über unsere Zeit, Kultur und Zukunft machen. Und diesbezüglich bietet das Jahrbuch wieder überaus Wertvolles an, von Wolfgang Neuhaus’ „Kritik der phantastischen Vernunft“ bis Gary Westphals „Fallstricke des Prophezeiens“, von Sascha Mamczaks kluger Erörterung der Frage, welche Folgen eigentlich das Leben im Antropozän für Welt und Literatur haben bis zu Bartholomäus Figatowskis ebenso höflicher wie gottlob feuielletonkritischer Würdigung unserer „Dystopie“-vernarrten Jugend – bis zuletzt hin zu ausführlichen Gesprächen mit Daniel Suarez und Cory Doctorow, deren Totale-Überwachungs-Visionen sich bedauerlicherweise als nicht besonders originell entpuppt haben. Um so dringender müssen wir uns mit dem folgerichtigen Rest ihrer Visionen beschäftigen, denn sollten beide auch weiterhin unoriginell Recht behalten, haben wir zwei, drei Probleme, die sich mit künstlerischen Mitteln wahrhaftig nicht mehr lösen lassen. Immerhin: dank des noch immer nicht „Zukunftskultur 2013“ heißenden maßgeblichen Sachbuchs steuern wir auf diese Zukunft nicht blind zu, sondern wachsamen Auges.

* Wer in Sachen Lektüre-Buchführung (sic) ebenso unerfahren ist wie ich: so verkürzen Profi-Lese-Bloggerinnen ihre „Stapel ungelesener Bücher“. Ob es auch „SUFS“ gibt, weiß ich nicht, aber ich muss auch in Sachen Filme und Serien dringend abkürzen.
Veröffentlicht unter Sachbuch | Verschlagwortet mit , | Schreib einen Kommentar

Buddha & Surf

Natürlich kann ich nicht surfen. Von Rechts wegen müsste ich in einem gut gebauten Rollstuhl sitzen*, aber da ich nicht auf Mediziner höre, habe ich im Urlaub, statt mich ruhig zu verhalten und meine MS nicht zu reizen, eine Windsurf-Prüfung abgelegt und darf jetzt an jedem globalen Meerufer Equipment ausleihen. Und surfen. So weit die Warnung an alle echten Surfer, denn natürlich kann ich nicht surfen. Schon gar nicht ohne Wind.

Zweitens bin ich natürlich kein Buddhist. Nachdem aber einer meiner englischen Buchhändler mir unlängst versehentlich ein völlig falsches Buch schickte, nämlich das Dhammapada (übersetzt und eingeleitet von Eknath Easwaran), habe ich statt der ganzen herumliegenden bestellten eben jenes gelesen, also das ganz ungewünschte, und das mit größter Freude. Zwar halte ich nun, nach der Lektüre, die Quintessenzen für noch unorigineller als vorher, aber ich habe ja auch nie behauptet, in meinem Denken, Fühlen oder Wissen spiele das Ich eine besondere Rolle. Und sagen will ich damit eigentlich nur …

Jedem Suchenden empfehle ich zur dringenden Lektüre: Jaimal Yogis. Saltwater BuddhaA Surfer´s Quest to Find Zen on the Sea. Überraschende Wende oder Halse, das jetzt, schon klar, aber so gehört sich das in Leben und Welle. Das Dhammapada lässt sich hervorrragend parallel oder danach lesen, aber des jungen Yogis´ philosophischer Lebenswellenritt ist nun mal in jeder Hinsicht frischer als der von Siddharta und obendrein randvoll mit wertvollen Betrachtungen eben jenes Elementes, das in Tibet zu selten vorkommt, nämlich, eben, Meerwasser. Zudem verfügt der sehr junge Yogis über eine Eigenschaft, die ich sehr schätze und zu selten finde: Er nimmt sich selbst nicht allzu ernst, obwohl er weiser ist als die meisten. Das „obwohl“ ließe sich trefflich durch ein „weil“ ersetzen …

* Link am Rande: Rudolf Novotny war so nett, mich zu besuchen, weil er die Quintessenzen sehr mochte. Als gründlicher Autor hatte er sich natürlich vor dem Besuch Gedanken gemacht, was er ungefähr schreiben wollte, konnte dann aber nicht anders, als diese Gedanken über Bord zu werfen und statt dessen einfach Hoffnung zu machen. Und dass ich dazu hier mit meiner Visage beitragen durfte, hat mich heute aufrichtig gefreut.

Veröffentlicht unter Ernährung, Sachbuch | Verschlagwortet mit , , | Ein Kommentar

First we take Damaskus …

… then we take Teheran. Das aus dem globalen Schachbrett-Navi abzulesen, ist keine Kunst, aber erhellend ist´s, so mitten im Säbelrasseln auch mal die Einschätzungen der „anderen“ zu hören resp. zu lesen. Exemplarisch die von Professor Andrej Fursow (Leiter des Zentrums für Russland-Forschung an der Moskauer Geisteswissenschaftlichen Universität), denn der wusste ja schon im August letzten Jahres, worum es präzise geht – und wohin. Im hiesigen Propagandarauschen von SPIEGEL bis heute-Journal jedenfalls ein dringend werfenswerter Blick hinter die Kulissen des erschütternden Terrors, den unsere Al-CIAda-Terroristen derzeit veranstalten – auch wenn wir als Trittbrettnutznießer der ganzen Aggression solche Bemerkungen ungern lesen: „Sie (die westlichen Medien) sollen aufhören, uns Unsinn zu erzählen: die Syrer kämpfen nicht gegen die Syrer, sondern gegen die angelsächsische Elite, welche mit den Händen internationaler Terroristen Krieg führt.“

Aber auch wer so was Fieses partout nicht wissen will, versuche es doch wenigstens mit dem Durchdenken des Restes (hier). Inklusive der blumigen Formulierung: „Objektiv gesprochen sind die westlichen Kreuzritter in Syrien an die Chinesische Mauer gestoßen.“

Veröffentlicht unter Allgemein, Medien, Politik | Verschlagwortet mit , , | Schreib einen Kommentar

Bröckers statt Spiegel

Mathias Bröckers hat neuerlich ein feines und gründliches Buch über eine Verschwörung vorgelegt, diesemal eine, die sich im November zum 50sten Mal jährt, nämlich die weltpolitisch alles aufs falsche Gleis lenkende Erschiessung von John F. Kennedy. Wer glaubt, darüber schon alles Wesentliche zu wissen, darf aber gern statt dessen Parkland gucken, den Tools vom Boulevardblatt Spiegel glauben, dass Tom Hanks journalistisch mehr auf der Pfanne hat als Bröckers, und doof sterben.

Alle anderen lesen mit: JFK – Staatsstreich in Amerika (Westend, 19.99 €)

Veröffentlicht unter Allgemein, Medien, Politik, Sachbuch | Verschlagwortet mit , , | Schreib einen Kommentar

Brookers schwarzer Spiegel

Selten, dass giftige Kritiker tatächlich selbst irgendwas können – außer eben, bestenfalls, unterhaltende Rufmorde begehen. Charlie Brooker war lange Jahre ein exzellent komischer, bösartiger Kritiker der Dummbox und ihrer Protagonisten, was sich bei Bedarf noch immer nachlesen lässt (in seinen diversen buchförmig gesammelten Guardian-Kolumnen). In seinem letzten (2012 erschienenen) Buch „I can make you hate“ lässt sich allerdings gut nachvollziehen, weshalb Booker den Job liegen lassen musste, denn nicht nur galt er inzwischen als „hart im Schlagen, weich im Nehmen“, überdies hatte er sich tatsächlich haufenweise Erzfeinde gemacht – denn mit seiner eigenen Miniserie „Black Mirror“ hatte er bewiesen, dass er eben nicht nur kritisieren, sondern „Fernseh“ auch selbst deutlich besser kann als alle anderen.

Die beiden jeweils 3 Folgen umfassenden „Black-Mirror“-Produktionen sind fraglos große intelligente Unterhaltungskunst, technisch wie dramaturgisch perfekt gestaltet und obendrein hochrelevant. Wer mit einer solch perfekten Lieferung seine angestammte Nörgelbasher-Schublade verlässt, macht sich endgültig unbeliebt beim versammelten Mittelmaß und darf nicht auf Gnade hoffen. Erfreulich ist dabei allerdings, dass das müde zurückätzende Mittelmaß weitgehend ins Leere prügelt, denn Publikum und selbstbewusste Kritiker winken bloß müde ab und und lassen sich vom Absingen ihrer Brooker-Lobeshymnen nicht abhalten. Dass ich mich in den Chor einreihe, geschieht aus dem allerbanalsten Grund: hätte nicht mein junger Freund OK mich auf diese Serie hingewiesen, wäre ich weiter hoffnungslos durchs Leben getappt, jedenfalls durchs Fernsehproduzentenleben, im Irrglauben, es habe doch alles keinen Sinn, richtig gutes Fernsehen scheitere eben unweigerlich an Redakteuren, Produzenten und Publikumsdesinteresse.

Stimmt nicht, wie „Black Mirror“ beweist. Mit 6 45-Minuten-Filmen, die allesamt wie Leuchttürme aus dem Güllemeer herausragen, das täglich über unsere Mattscheiben schwappt. 6 eigenständigen Kurzfilmen, komisch, erschütternd, kunstvoll, die allesamt um die gleiche zukunftsnahe Frage kreisen: Welche schweren Nebenwirkungen wird eigentlich unsere Abhängigkeit von der Droge Technologie haben, in naher Zukunft?

Must see.

(Wie? Nein, natürlich gibt es keine deutsche Fassung).

(Lachen vom Band).

Veröffentlicht unter Allgemein, Film, Medien, Politik | Verschlagwortet mit , , | Schreib einen Kommentar

Mr. Bezos goes to Washington

Im Unterschied zu Mr. Smith geht Mr. Bezos dort aber nicht hin, um aufzuräumen, sondern um abzuräumen – und zwar nicht nur die Redaktion der Washington Post, sondern gleich das gesamte politische Establishment. Vergessen wir nicht, dass die Post nach der NYT das einflußreichste US-Blatt ist, und dass Bezos sich hier mit 1% seines Vermögens (= 250 Millionen Dollar) eine vergleichsweise spottbillige Waffe gekauft hat, um Meinung in seinem Sinn zu machen – und Andersmeinende zum Schweigen zu bringen.

Amazon zahlt keine Steuern. Amazon macht seit der Firmengründung keine Gewinne, und weder die US-Finanzämter noch die europäischen können dagegen etwas unternehmen. Offensichtlich. Bezos selbst besitzt inzwischen 28 Milliarden, seine No-Profit-Organisation kontrolliert einen Haufen Märkte, zerlegt gerade den verbliebenen US-Buchmarkt, kontrolliert allen Content, verdient sogar am kickstarter-Crowdfunding, sammelt Unmengen Daten und greift mit den „amazon studios“ jetzt auch die Filmindustrie an. Aber Amazon ist inzwischen so groß, so aggressiv und nicht zuletzt so gnadenlos mit seinem Personal, dass Bezos zukünftig noch mehr politischen Einfluß brauchen wird als bislang. Dass Obama ihm auf Wunsch applaudiert, wird nämlich langfristig nicht ausreichen, um alle Richter, Steuerfahnder und Gewerkschaftler zum Schweigen zu bringen.

Amazons 600-Millionen-Dollar-Daten-Deal mit der CIA war ein guter politischer Anfang. Mit der Washington Post und ein paar eingetauschten NSA-Daten im Gepäck sollte Bezos jetzt aber auch wirklich jeden US-Politiker unter geeigneten Druck setzen können, sich den amazonischen Plänen nicht in den Weg zu stellen. Sei es höflich, mittels Schweigeangeboten hinter den Kulissen, oder eben offen, mittels Verlautbarungen in seinem neuen Blatt, das noch immer von seiner legendären Watergate-Vergangenheit zehrt und seinen unbestechlichen Ruf trotz der halbgaren letzten 20 Jahre nicht losgeworden ist.

Bezos macht alles richtig, und das schon sehr lange. Mit dem Kauf der Post zieht er nun endgültig an Gestalten wie Murdock vorbei, denn anders als der (und Old-School-Konsorten) lebt Bezos nicht von Anzeigenkunden und Großindustrie, sondern verfolgt erfolgreich das Ziel, an jeder kulturellen Transaktion, weltweit, als Makler mitzuverdienen. Mittelfristig wird amazon weitaus mächtiger sein als alle Googles, Apples und Facebooks zusammen, und Bezos wird als smartester Geschäftsmann aller Zeiten in die Geschichte eingehen. Das verdient vermutlich unsere lupenreine Bewunderung. Unser Unwohlsein (jüngst gut dokumentiert von Amy Goodman und ihren kritischen Gesprächspartnern) dürfte wohl nur mit romantischen Demokratiereflexen zusammenhängen: Die Vorstellung, unseren zukünftigen Anführer und gleichzeitigen Beherrscher aller Gedankenwelten nicht abwählen zu können, will uns beim besten Willen nicht behagen.

Veröffentlicht unter Allgemein, Medien, Politik | Verschlagwortet mit | Schreib einen Kommentar