The Untold History of the United States

Die frische Dokumentationsreihe von Oliver Stone und Historiker Peter Kuznik ist Pflichtprogramm für Empire-Bewohner, insbesondere für jene in den US-Bundesstaaten 51ff, also zum Beispiel uns. Dass unsere Regierung (nicht Gouverneurin Puppenmutti, sondern Washington) lernunfähig ist, wird zwar niemand überraschen, aber präzisere Geschichtskenntnisse und –bewertungen sind für die Zeit nach dem Zerfall des Imperiums dennoch überlebenswichtig – wollen wir nicht unseren Kindern ein Bürgerkriegseuropa hinterlassen oder eine chinesische Fahne über dem Brandenburger Tor.

Und gerade weil Stone und Kuznik mit ihrem reich bebilderten 10-Stunden-Vortrag primär auf die Köpfe der Bewohner von Bundesstaat 1-50 zielen, gewinnen wir (zweite bis dritte Reihe) durchaus überraschende Erkenntnisse – vor allem die, dass Deutschland (trotz des schändlichen Lärms von 33-45) im Großen und Ganzen ganz und gar keine Rolle spielte oder spielt. Was en passant auch die souveränen Kritiker jeder deutschen Puppenregierung ausnüchtern dürfte: zu glauben, wir könnten Einfluß nehmen auf den Lauf der Weltdinge unter US-Hegemonialherrschaft, ist ganz lächerlich, sich nicht auf das Danach vorzubereiten allerdings ganz und gar verantwortungslos.

Oliver Stone / Peter Kuznick – The Untold History of the United States, 10 x 50 Minuten auf 3 DVDs, als Import für zirka 45 €; das dazugehörige 754-Seiten-Hardcover ist bei Gallery erschienen (19,95 €), eine Lesebrille wird leider nicht mitgeliefert.
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Eiswürfel auf Eis (Künstlerdämmerung #14)

Komisch. Seit das öffentlich-rechtliche Fernsehen dank der neuen Gebührenordnung im Geld schwimmt, haut das ZDF nur noch diese sagenhaft fiesen Autoren- und Produzentenverträge raus, und unisono heißt’s bei allen Sendern von NDR bis BR nurmehr: Würden wir gern machen, darf aber nichts kosten. Wir müssen sparen. Wir haben kein Geld. „Ganz schlechte Zeiten für Innovationen oder auch nur kleine Risiken“ (Entscheidungsredakteurin N. N., BR, total nett, und ich meine: wirklich total nett).

Mei. Gut. Verstehe. 98% des Budgets müssen für Pensionen und Festangestellte ausgegeben werden, 2% für die Weihnachtsfeiern, da bleibt fürs Programm nicht mehr sooo viel. Müssen wir Kreativen halt umsonst arbeiten. Macht ja nix. Machen wir.

Dabei ensteht dann aber ein interessantes neues Problem, hier exemplarisch. Denn obwohl alle angesprochenen Partner (Darsteller, Crew, Sender) mein neues Lieblingsprojekt „Die Zeit ist um für Ernst Eiswürfel“ total toll finden, eine ganz großartige Fake-Doku über den allerersten deutschen Reality-TV-Kultstar (der mit seinem unfähigen „Engel“ ja vor nun schon 25 Jahren höchst erfolgreich durch die ARD-Sender sprang, immer fast vom Balkon); und obwohl ich Autor und Produzent notfalls gar kein Geld will und Darsteller und Team nofalls auch noch selbstbezahlt mitbringe, wird nix aus den 45 Minuten, weil: der einstige bayerische Heimatsender mir zwar unter diesen sehr günstigen Gratisumständen gern 15-20 Minuten (von den 1989-1992 produzierten circa 180 Minuten) zur Verfügung stellen würde, das aber nicht darf, weil er die Rechte an seinem eigenen Material

… nicht hat.

Das nämlich wird bürokratisch vermarktet. Und sofern ich das verwenden wollte oder möchte (erfahre ich, nachdem ich mich vom sehr netten Pförtner aus durch alle Abteilungen gefragt habe und im Gegensatz zum Vermarkter selbst jetzt sogar weiß, in welchem Archiv das Zeug liegt), kostet mich die Geschenkaktion für den gestopften Sender … 60 bis 90 … tausend … Euro.

Mh. Hab ich 60-90tausend Euro? Mal kurz kucken. Nö. 3 Euro 47. So wird das nichts, nicht mal wenn ich umsonst arbeite, die sechs Wochen.

Das Ganze läuft also hinaus auf: „Schönes Projekt, wollen wir alle wahnsinnig gern zum 25sten Jahrestag unseres frühen Kultstars sehen, denn wir lieben ihn ja immer noch, unseren „Ernsti“, nur: Sie Autor, Erfinder und Urheber müssten umsonst das Skript schreiben (hey; hab ich schon!), die Produktion bezahlen und unserem Rechteverwerter 90.000 Euro überweisen, die Sie natürlich nie wieder einspielen können. Aber wenn Sie fertig sind und alles bezahlt haben und all unsere BR-und-anderen-ARD-Zuschauer glücklich sind – dürfen Sie´s auch gern auf ihrem eigenen Youtube-Kanal zeigen. Ohne weitere Kosten für Sie!“

Ja. Kann man so machen. Oder auch nicht. Sondern vielleicht doch dezent anders. So gebe ich also auch in näherer Zukunft weiter den Quixote für Arme, verhandle weiter über dies oder das für 2016 mit all den netten, bettelarmen öffentlichen Sendern, und nehme die Aussage des Rechteverwerters gern zur Kenntnis, dass er mir die online-Rechte an allem sowieso leider nicht verkaufen kann, weil … er die nicht hat.

Sondern ich.

Cool.

Sobald ich einen Praktikanten gefunden habe, der das für mich alles ins Youtube hochlädt, gibt´s also die ganze legendäre Ernst-Eiswürfel-Zeitreise noch mal im Netz, denn sogar dort fehlt sie bislang. Und das mit dem Praktikanten klappt bestimmt demnächst, denn wenn das so weitergeht, werden nach den Autoren und Produzenten ja demnächst auch alle Redakteure „freigestellt“. Und bei mir dürft ihr immer klopfen, ich bin doch nicht nachtragend.

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Ausgestorbene Bauernregel #1024: Wer schreibt, der bleibt

Junge Menschen wissen ja gar nicht, wie toll das ist, dieses Web 2.0. Zwar hat sich faktisch an den Aufstiegschancen für junge Künstler nicht das Geringste geändert, aber immerhin können wir alle uns heute als Fast-Schon-Weltstars fühlen. Früher brauchte man dazu schon starke Nerven oder prima Drogen, denn es kostete durchaus hartnäckige Ignoranz, sich als dauerabgelehnter Autor, Musiker, Maler oder Filmemacher irgendwie bedeutend vorzukommen – heute sind wir dank Youtube, Kickstarter und KDP ein paar entscheidende Wohlfühlschritte weiter.

Tatsächlich allerdings ist natürlich nicht mehr Platz in den Charts und Listen als früher, und das Publikum „da draußen“ hört, liest und sieht auch nicht mehr Kunst als dunnemals, die Tage sind ja nicht länger geworden. Vermutlich hat auch die Zahl der Künstler nicht zugenommen, nur sind sie heute im Unterschied zu früher scheinpräsent, denn während wir damals 20 Exemplare unseres ersten Romans im Copyshop selbst zusammenbinden mussten, um anschließend Wehrlose damit zu behelligen, lässt sich heute mittels KDP theoretisch die ganze Welt erreichen, mit Millionenauflagen, ebenfalls theoretisch. Das erhöht – gefühlt – die Bedeutung des einzelnen Künstlers, und selbst wer künstlerisch absolut nichts anzubieten hat, kann sich bedeutend fühlen, indem er sein ganzes Leben via Facebook und youtube ausstellt.

Ich verkneife mir inzwischen die Frage an NachwuchsautorInnen jeden Alters, ob sie denn auch lesen. Also: die Erstlinge anderer junger AutorInnen. So: KDP. Oder die Gedichte anderer Debütantinnen. Ebenso verkneife ich mir die Frage, für wen genau sie denn eigentlich schreiben, sprich: an wen sie denn denken, an wen das, was sie da zu Nichtpapier bringen, addressiert ist, wen es unterhalten, erfreuen oder auf die Folter spannen soll.

Die Frage ginge ins Leere. Denn es geht ja gar nicht ums Lesen. Und erst recht nicht darum, wem anders eine Freude zu bereiten. Es geht ums Schreiben. Und ums gelesen werden. Oder jedenfalls theoretisch gelesen werden könnten.

Die Realität darf dabei schön draußen bleiben.

Aber so viel Schadenfreude muss sein, auf eigene Kosten: ein befreundeter Autor und ich erörterten unlängst, wie viele Unterstützer wir denn wohl fänden, machten wir unsere neuen Romane selbst, via „crowdfunding“, wir Etablierten, er mit seinen diversen Sachbuch- und Romantiteln und seinem guten Ruf, ich mit meinen verkauften jaweißnichtzirka 300.000 Büchern, und wir kamen beide auf die gleiche garantiert mitzahlende Unterstützerschätzung: 5.

Wobei wir beide nicht ganz sicher waren, ob unsere Mütter tatsächlich mitmachen würden, denn die haben ja gar keinen Netzzugang. Also: 4. Die sind sicher. Aber ebenso sicher ist, dass das nicht ganz reicht.

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Empfehlungen aus dem Sommerleseloch

Nachdem ich im Gespräch mit meiner Lieblingsbuchhändlerin kurz ins wüste Kopfschütteln geraten war wegen der von mir (an)gelesenen Sommerbücher, habe ich mir dann doch sagen lassen, JoJo Moyes Bestseller „Ein ganzes halbes Jahr“ sei „garantiert zwar keine Literatur, aber ein prima Schmöker“ – allerdings nur für Frauen. Sämtliche Bemerkungen zum fies kalkulierten Taschenspiel und billigen Effekthandel habe ich uns erspart und spare an dieser Stelle weiter, nur so viel sei mildernde Umstände halber gestattet: Chuzpe hat die Lady, denn sogar die meisten ebook-Autorinnen hätten sich nicht getraut, „Ziemlich beste Freunde“ einfach mit ner tumben Abziehbilder-RomCom und einer Prise Tabu („Sterbehilfe“) abgemischt auf den Publikumsteller zu legen. Also: Chapeau. Nicht mein Teller, äh, Tisch.

Ebenso wenig wie der Jungsbestseller „Silo“ (Wool) von Hugh Howey. Ich war zwar gewarnt (von den „Rezessionen“ aus dem amazon-Kosmos), dass sich dieses dem Web entwachsene Werk auf den ersten 100 Seiten etwas zäh liest, aber leider ändert sich daran bis zum Ende nichts. Und Howeys abschließende Drohung (nach 540, gefühlt 5000 Seiten), das sei ja erst der Auftakt zu seiner Saga gewesen, hat es wirklich in sich. Nicht auszudenken, was da noch an dystopischer Langeweile auf uns zukommt.

Daniel Suarez jüngsten Roman „Kill Decision“ kann man, anders als Howeys, zwar prima lesen, ohne wegzudämmern, allerdings vertut der von mir sehr geschätzte „Daemon“-Autor sich diesmal doch gehörig in der Wahl der Waffen. Dronen, die sich schwärmend selbstständig machen – das hätte ein wunderbarer SF-Roman werden können, kluge Warnungen wie die vom alten PKD oder Crichton oder Olsbergs „System“ weiterführend, aber Suarez verlegt sich leider auf permanenten Krach, also Die-Hard-Unsinn mit nervtötendem Klischeepersonal. Wird bestimmt ein 1A- Blockbuster für arbeitslose Ritalinabhängige, floppt aber deutlich unter jeder IQ-Latte durch. Was schade ist, weil das Thema so viel hergäbe.

Ganz und gar anders verhält es sich mit Thomas Glavinics Roman (?) „Das bin ich ja“, denn hier gibt das Thema (Glavinic) überhaupt nichts her. Glavinic schreibt zwar sehr komische sinnlose hin Dialoge, das allerdings nur gegen Ende des Textes. Der ganze Rest liest sich wie der lange Facebook-Eintrag eines der vielen, vielen Menschen, die ein sehr langweiliges Leben führen, das sie selbst für interessant halten. Verleger, Kulturschaffende und andere, die für Glavinic wichtig sind, waren und sein werden, kommen bestens weg bei der Bauchpinselei, das Feuilleton überschlägt sich vor Begeisterung und hat „stundenlang nur gelacht“, und ich habe das ganz bestimmte Gefühl: da will ich nie wieder stören. Und falls mal ein vergleichbar sterbensuninteressanter Abteilungsleiter der HUK Coburg „augenzwinkend“, „zum Totlachen“ über seine Branche schreibt, will ich das auch nicht lesen.

Dafür aber interessante Romane interessanter Autoren. Also zum Beispiel die von John Green, Lionel Shriver und Neil Gaiman. Gaiman erweist mit The Ocean At The End of The Lane neuerlich als unehelicher Enkel von King, Carroll und Lovecraft, die phantastische Story rührt wie gewohnt in phantastisch dunklen Untiefen von Kindheit und Jugend, und wer´s gern konkret und handfest hat, lässt gefälligst die Finger davon. Alle anderen staunen wie üblich über die einzigartige und beunruhigende Phantasiewelt des Herrn G. In der Frage, ob Jugendliche so was lesen sollten, gehen seine und meine Meinung allerdings weiterhin als Freunde auseinander. Ich hätte danach nächtelang nicht schlafen können, als junger Mensch, aber Neil behauptet ja steif und fest, seine Kinder könnten. Müssen die Gene sein.

Shriver (Lionel): Dank ihrer exzellenten und zurecht bestverkauften Romane Wir müssen über Kevin reden (der übrigens auch erschütternd präzis verfilmt wurde, falls jemand das verpasst hat) und Dieses Leben, das wir haben (So Much for That) hat sich zwischenzeitlich auch ein Verlag für The New Republic gefunden, ein Buch, das allerdings auf dem langen Weg aus Shrivers Schublade ein bisschen Staub angesetzt hat. Bildschön geschrieben ist es aber immer noch, und die entscheidende Frage, in wie weit unsere Medien die Welt erfinden, stellt sich heute genauso dringend wie Mitte des letzten Jahrzehnts, als der Stoff entstand. Dass Shriver mit ihrem neuen Roman Big Brother den Finger ganz wo anders hinlegt, nämlich ins amerikanische Familienfett, versteht sich allerdings auch von selbst, denn seit Kevin wissen wir ja, dass Shriver am besten dorthin geht, wo es weh tut. Da ich hier ausnahmsweise nicht spoilern will, belasse ich es beim schlichten Hinweis: Was würdet ihr denn machen, wenn euer geliebter kleiner Künstlerbruder nach vier Jahren Funkstille wieder bei euch auftauchte, mittellos, selbstbewusst – und unglaublich verfettet? Ihn zwei Wochen füttern und dann weiter seinem Exitus entgegenreisen lassen – oder die eigene Familie (die ja nur angeheiratet ist) für die Rettung und Gesundung des Blutsbruders aufs Spiel setzen? Was Shriver darüber in gewohnt großartigen Worten zu erzählen hat, tut weh. Von Anfang bis Ende.

Kompletter Nachzügler war ich bei John Green. Da nämlich „The Fault In Out Stars“ (Das Leben ist ein mieser Verräter) schon so lange auf den Bestsellerlisten steht, war ich sicher, dass es nichts taugen kann – und sehe mich vollständig korrigiert, nach der Lektüre. Ein Jugendbuch ist das wohl nur, weil Erwachsene bevorzugt irrelevanten Stuss lesen wie den von Glavinic, drum verlege ich mich ab jetzt gern auf Jugendbücher. „The Fault“ ist perfekt komponiert, schön geschrieben, schön relevant und ausgesprochen rührend. Und wer keine Angst hat, sich mit der wichtigsten Fragen des Lebens auseinanderzusetzen (also unserer Sterblichkeit), der greift bedenkenlos zu und wird reich belohnt. Anschließend lässt sich dann mit „An Abundance of Katherines“ einer der Stars-Vorgänger ebenfalls von Herzen empfehlen. Denn auch hier geht´s, gekleidet in eine durchaus komische jugendliche Road-Story, um eine Frage, die Glavinic und Co. garantiert nicht kennen: Ist es wirklich ein erstrebenswertes Ziel, einzigartig zu sein? Also eigentlich um die gleiche Frage wie in den „Stars“: da es „Unsterblichkeit“ nicht gibt – was stellen wir an mit unserem Leben vor dem Tod?

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Sturm im Googleglas, temporärst

btw, Dr. Lieschen Müller, auch wenn du derzeit die Modefarbe „Entrüstung“ trägst (sieht peinlich aus, übrigens) und minutenlang „startpage“ statt „google“ spielst: Ernsthaft? Aufregung, jetzt? Erst jetzt? Beziehungsweise: jetzt noch? Jeder halbwegs intelligente Badeschwamm wusste seit 10 Jahren, was die NSA macht, dass das Budget von US-Militär und –Geheimdiensten dreifach ausreichte, um alle Probleme der Welt über Nacht zu lösen. Jeder Vollkoffer weiß, dass wir mit dem Fake 9/11 in eine neue Empire-Ära gesprungen sind, unter der schwer bewaffneten Fuchtel militärisch-industrieller Weltherrscher; Patriot Act, Guantanamo, weiße CIA-Jets, totale Überwachung, Assange, Manning, Schwartz, FED und „too big to fail“ sind doch keine Breaking News. Und wer einen IQ über Zimmertemperatur hat, hat doch wenigstens sein demnächst wertloses Restgeld längst bei der Ethik Bank oder der Sparkasse oder im Sockenschrank, säubert täglich seinen Cache, surft nur mit Hotspot Shield, boykottiert alles, was nicht vollkorrekt weltverbesserisch ist, und weiß, dass Spiegel und Politiklaiendarsteller im Chor die Farbe von der Wand lügen. Was also soll die Aufregung? Wer jetzt zu ixquick wechselt, temporär, geht doch morgen wieder die neuen Sommerfarben aus Bangladesh tragen und grillt sich übermorgen wieder was vom maisgestopften Rind, und spätestens zu Weihnachten ist der dann verstorbene Edward Snowdon Schnee von gestern.

Und falls es Dich interessiert, Frau Dr.: kuckst du mal z. B. hier und schaust dir das gestrige Große-Koalitionsabstimmungsergebnis gegen den vierten Verfassungsgesetzgrundsatz des Ex-Land-Of-The-Free an.

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Smarter Schwarm

Bewunderer der „Schwarmintelligenz“ vergessen gern, dass das kluge Verhalten von Ameisen, Bienen und Delphinen eben nicht auf Menschen übertragbar ist, weil Schwarmintelligenz eine unausgesprochene Prämisse voraussetzt, die uns Menschen fehlt. Ameisen und Konsorten sind auf Kooperation programmiert, also smart, wir hingegen streben nach individuellem Erfolg, sind folglich Konkurrenten (und halten das nach einigen Jahrhunderten Darwin-und-Kapitalismus-Gehirnwäsche auch noch fälschlich für „natürlich“). Mangels Reflektion, Gemeinschaftssinn und Moral ist unser Schwarmverhalten wegen dieses Kernfehlers generell irreführend (sic), denn während Ameisen gar nichts anderes sehen können als das Große Ganze, sehen wir alles andere, also vorwiegend uns selbst. Deshalb können auch Eltern in Umfragen angeben, sie befürchteten, dass es ihren Kindern einmal schlechter gehen wird als ihnen selbst, ohne daraus irgendwelche Konsequenzen zu ziehen. Immerhin ist aber die Flugrichtung, die der Menschenschwarm einschlägt, auf diese Weise ein sicherer Hinweis darauf, wo das Ziel garantiert nicht liegt, und so ist die ganze Egomanenbande dem intelligenten Beobachter doch eine große Hilfe auf der Suche nach Wahrheit und Weltverbesserungskursen. Sobald wir den Schwarm aufbrechen sehen, können wir uns gefahrlos in die Gegenrichtung aufmachen, im sicheren Wissen, irgendwo dort fündig zu werden.

(Tatsächlich verhilft dieses Wissen nicht nur zu Gelassenheit, wenn der dumpfe Schwarm mal wieder begeistert aufbricht oder ebenso energisch gegen NSA-Windmühlen anbrummt, sondern ist sogar äußerst praktisch bei der Auswahl von Büchern und Filmen. Inzwischen kann man nämlich absolut sicher sein, dass jeder wahre Bestseller oder Blockbuster lupenreiner Schrott ist, und das erspart doch einige Zeitverluste.)

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Künstlerdämmerung #13

Als ich vor 20 Jahren von den Zuständen im Jahr 2030+ in New Hesperida berichtete (also in den beiden Sherman-Bänden), kamen ja nicht nur Totalüberwachung, Netzcrash, virtuelle Stars sowie das Bombardement des arabischen Frühlings am Rande vor, sondern auch mittendrin (im ersten Band) eine Explosionsserie, die viele mittelmäßige Bestsellerautoren am Schreibtisch final traf. Dahinter steckte (Spoileralarm) eine Software, leicht aufgemotzt von einem vollkommen kranken Autor, der den ganzen Schriftschrott in Verbindung mit seinem eigenen Mißerfolg nicht mehr ertragen konnte, und das war nicht autobiographisch gefärbt. Nun wird die Wirklichkeit meine Fiktion zwar nie ganz einholen, immerhin aber wird 2030 der trockene Hintergrund Tatsache sein, denn mit zunehmender Verbreitung der e-Lesegeräte liest ja nicht nur die NSA mit (der Job ist ne echte Strafe …) sondern auch die Marktforschung. Was für Autoren viel gefährlicher ist. Jedenfalls für so … richtige Autoren, also Belletristen, Schöngeister, Künstler.

Bislang müssen wir uns ja nur bei der Arbeit fürs Fernseh dem Diktat von Markt und Schwarm beugen, sprich: alles sein lassen, was der gesammelte Kunde nicht unbedingt sofort mag. Die Einschaltquoten weisen uns gnadenlos den Weg, die Minutenschritte zeigen uns, welche Untergruppen der Zielgruppe in welcher Minute wegschalten, daraus ziehen wir unsere Schlüsse. Und lernen aus unseren Fehlern. Andernfalls fliegen wir raus. Zukünftig begegnet uns das aber auch in der Arbeit mit unseren Verlagen und Lektoren, denn die werden dank Kindle und Co. nicht nur wissen, welche Farben, welche Typo und welche grauen Schlipse der Schwarm gerade bei der Umschlaggestaltung bevorzugt, sondern auch, welche Stellen in welchen Romanen besonders oft angestrichen und/oder (demnächst) mit welchen Randbemerkungen versehen werden. Sowie: wie schnell der durchschnttliche Leser welche Passagen liest, an welchen Stellen er das Interesse verliert, tagelang pausiert und ggf. einen Roman weglegt. Der Rest ist profaner Algorithmenzauber, auszuführen von jedem ITler im zweiten Semester, und anschließend braucht mein Lektor das ihm vorgelegte Manuskript nicht mal mehr selbst zu lesen, sondern nur noch einmal von seiner MaFo-Software analysieren lassen, um die Absatzchancen zuverlässig und aufs Komma genau einschätzen zu können.

Aber keine Sorge. Es bleibt uns natürlich unbenommen, stur und gegen die unbestechliche Maschinenmeinung auf Originalität zu beharren, den zukünftigen Publikumsverlagen stolz den Rücken zu wenden, mit den Worten „ihr werdet schon sehen, was ich davon habe!“, und unser nicht evaluiertes Skript selbst zu veröffentlichen, als KDP. Sofern wir echten Schwarmschrott geschrieben haben, reicht´s vielleicht sogar für einen Lottogewinn, wahrhaft Originelles hingegen wird´s zukünftig noch etwas schwerer haben als einst, kurz vor Gutenbergs guter Idee.

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