Security und Homeland, paranoides

Das zurecht hochdekorierte Homeland läuft jetzt also auch im deutschen Fernseh (Sat.1, Sonntags, so spät (23.15 h), dass nur Arbeitslose kucken können). Das Ganze ist a)  24“ (mit ein paar Wire-Elementen) für ältere Leute, die sich nicht mehr aufregen dürfen und b) ein Remake des israelischen Formats „Prisoners of War“ – nur dass im Homeland Israel durch die USA ersetzt ist, der Libanon durch den Irak, und dass der kriegsgefangene Protagonist nach 8 statt original 17 Jahren heimkehrt. Aber obwohl das plumpe Feindbild den Transfer fast unbeschadet überstanden hat, verdient die Serie gehörigen Respekt, gezogene Hüte und Preise – nicht nur wegen ihrer gelungenen Zeichnung „defekter“ Charaktere, die uns trotzdem (oder gerade wegen ihrer Defekte) ans Herz wachsen, sondern auch wegen der konsequenten Erzählweise, denn Homeland ist, wie so viele gute US-Serien, ein hochspannender 12-Stunden-Spielfilm.

Doof ist lediglich neben Claire Danes, dass die riesigen Plot-Löcher wegen der laaangsamen Erzählung sehr auffallen. „24“ hatte solche Löcher ebenfalls im Dutzend billiger, allerdings wurde da immer rasch zur nächsten Folter- oder Actionszene geschnitten, so dass man sich vor Schreck nicht über die ganzen Fehler ärgern konnte. Bei Homeland geht´s. Problemlos.

Und dennoch: schließe ich mich dem Wunsch aller intelligenten Fernsehtreibenden an, das Format möge über die (sehr erfolgreiche) Ausstrahlung der ersten drei Folgen hinaus funktionieren. Denn wenn´s scheitert, müssen wir alle horizontal zurück in den Bülowbogen.

P.S.: Serien, und überhaupt: Girls (HBO) sprengt Sex and The City aus dem Wasser, frei übersetzt. Sehr komisch, sehr erschütternd, sehr peinlich, sehr wahr (vermutlich; bin ja kein Mädchen), sehr von Herzen. Mit einer sehr, sehr guten Autorin/Regisseurin/Hauptdarstellerin Lena Dunham. Die erste Staffel dauert 10 x 30 Minuten und ist auf gut Deutsch ein Must See (im O-Ton. Die Alternative hieße eh: Glitztv abonnieren und samstags um 8 aufstehen, ist also keine.)

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Korrektes Schwartzbild

Na. Endlich schreibt´s dann doch noch einer. Wenn auch nur Greg Palast und nur für Vice, also ganz und gar aus dem Off für deutsche Leser. Wer unter denen allerdings des Englischen mächtig ist, darf empört mitnicken – bei der Lektüre von „Aaron Schwartz died for Pierce Morgan’s Sins. Des Pudels Kern klingt so:

„I’ve read the indictment. The charge would have made Pinochet blush – and Torquemada proud. The prosecution said that Swartz had planned to make public millions of university research papers that had been sequestered by an information monopoly called JSTOR. The Internet was supposed to bring us freedom by making the world’s information available to all. No tyrant, no corporation, no commercial or political monopolist could keep vital information from the least village. Electronic democracy, the free flow of information, has always scared the crap out of the political and commercial oligarchs. SOPA and JSTOR were two of their responses.

If JSTOR were operating when Isaac Newton published, only a well-heeled elite would have the secret of thermodynamics. If Newton worked for Microsoft, we’d be paying a royalty for the use of gravity.“

Merken, bitte: Es ging Aaron Schwartz nicht um MP3-Piraterie oder gar fiese Angriffe auf die fiesen Rechteverwertungsketten der Industrie. Es ging, wie im Fall Manning, um alles. Und so war die Verfolgung des jungen Hackers nicht „übertriebene Härte“ der Staatsanwaltschaft, sondern nichts weiter als konsequent. An Schwartz wurde, gerade weil er kein Eigeninteresse an den heruntergeladenen Wissenschaftsdaten hatte, ein Exempel statuiert, mit harter Hand der Powers To Be, deren klare Aussage lautet. „Wer Demokratie fördert, geht lebenslänglich in den Knast.“ Oder bringt sich gefälligst um.

Geschmacklos folgerichtig das Feuer der Industriesprachrohre von Bild bis Spiegel, betäubend sicher gezielt mitten in die Sofas der Viehherde, frei nach dem Motto: „Asozialer, depressiver Nerd und Dieb begeht wegen nix Selbstmord.“

Es ging um mehr. Und geht um alles. Palast sei wieder mal Dank, dass er´s sagt und schreibt.


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Zahlen, bitte (#6) (Bilanz 2012)

2012 war ein sehr gutes Jahr. Unsere 100 reichsten Mitbewohner haben ihr Gesamtvermögen um 241 Milliarden US-Dollar vergrößert (Bloomberg, inklusive Porträts) und kontrollieren jetzt gemeinsam Werte von 1,9 Billionen Dollar. Die 100 Einwohner des gedachten Kleinstaats kommen damit in Sachen Bruttoinlandsprodukt auf Platz 9 der Nationencharts, direkt hinter Italien (60.000.000), aber noch vor Russland (143.000.000) und Indien (1.200.000.000) (Global Research).

Dass einzelne Vertreter des exklusiven Clubs (wie Gates und Buffett) Teile ihres Vermögens spenden und sich öffentlich für eine höhere Besteuerung ihrer selbst sowie ihrer paar allerschwerstreichen Mitbürger aussprechen, ist vorbildlich nett gemeint oder wenigstens vorbildliche Eigen-PR, löst aber kein Problem. Die bescheidene Forderung von Oxfam lautet daher bloß „Wiederherstellung des Ungleichgewichts von 1990“, wozu allerdings zunächst einmal der sogenannte mündige Erdenbürger erkennen müsste, dass das Problem überhaupt eines ist. Vielleicht hilft´s ja zu wissen, dass ein Viertel des Weltgesamtvermögens ganz relaxt und steuerfrei in Oasen „arbeitet“. Würde dieses bisschen Poolgeld (32 Billionen) (nicht Milliarden) wenigstens zu unseren moderaten Kleinsparerkapitalertragssteuersätzen versteuert, kämen jährlich etwa 190 Milliarden Dollar zusätzliche Steuereinnahmen zusammen. Eine Summe, die vierfach ausreichte, um sämtliche Hungerprobleme der paar anderen Erdenbewohner schlagartig und für immer zu lösen. Sowie die meisten anderen Probleme, die die Welt derzeit so mit sich herumträgt.

Dass DER SPIEGEL daraus kein allwöchentliches Thema macht, darf uns nicht wundern, denn das „ehemalige Nachrichtenmagazin“ (Bröckers) lebt ja von der Werbung der 100. Dass wir hingegen nicht alltäglich Öffentlich-Rechtliche Brennpunkte zu diesem Dauerskandal sehen dürfen, wundert uns ebenso wenig, der Grund ist ja, weiß Gottschalk, derselbe.

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Hungerspiele (1,75% Festzins)

Foodwatch beschwert sich laut und völlig zurecht über die Deutsche Bank und deren fortwährenden Spekulationsgang über Hungerleichen – und ich versteh´s nicht. Kein denkender und/oder fühlender Mensch hat sein Geld noch bei der Deutschen Bank, selbst die letzten Tiefschläfrigen sind spätestens 2008 abgewandert zu Ethik- und Ökobanken oder wenigstens ihren lokalen Sparkassen …

Wer also braucht den Hinweis? Alle Gesunden wissen´s längst und haben ihre Kröten wandern lassen, und die Kernkranken lesen´s eh nicht.

Mei. Aber schön, dass wir mal drüber gesprochen haben, so ganz unter uns.

P.S.: Oxfam („Mit Essen spielt man nicht“) macht vor, wie´s geht und droht der Allianz AG wegen deren Weiterspekulation mit Kündigung aller Mitarbeiterversicherungen. Im noch immer herrschenden System versteht kein Marktteilnehmer „Liebesentzug“ als Bedrohung, wohl aber den Entzug finanzieller Zuwendung. Und wer behauptet, die Zustände seien nicht zu ändern, ist schlicht zu faul, mit der Brieftasche anders abzustimmen.

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Schnell noch den Wasserhahn austrinken …

… oder doch ausnahmsweise mal der EU-Kommission per e-Signatur die Meinung geigen, nämlich hier. Das Thema ist zwar nicht ganz taufrisch (z. B. Barlow & Clarke hatten dazu schon 2006 eine vollendet trocken formulierte Faktensammlung in ihrem schönen Buch Blaues Gold (Kunstmann)), aber nun ist´s ja endlich auch im Mainstream angekommen, Monitor sei Dank. Hintergrundbeitrag mit Bilder und Texten: hier.

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Artisten auf morschen Seilen (Künstlerdämmerung #11)

… oder dünnem Eis. Oder verlorenem Posten. Oder … (Platz für eigene Metaphern).

Natürlich erinnern wir uns vor allem Jammern gegenseitig und ständig daran, dass a) die 1,7% selbständig denkenden und arbeitenden Menschen hierzulande eh keine Lobby haben, und b) in den Augen der artigen 98,3% die Künstler (Teilmenge der 1,7%), da sie sowieso nicht arbeiten müssen, sondern einfach den ganzen Tag machen können, was sie wollen, ohnehin keinen Anspruch auf Bezahlung haben. Das wär ja wohl noch schöner!

Dennoch: Die Idee von Uschi vdL, allen Selbstständigen einen einkommensunabhängigen monatlichen Beitrag von 400 Euro abzunehmen, um so die vielen 75%-vom-letzten-Einkommen-Renten aller Beamten bis zum jüngsten Tag abzusichern, bereitet den meisten freischaffenden und –denkenden Künstlern doch gehöriges Kopfzerbrechen, denn auch den letzten gebrauchten Strick, den man sich nimmt, müsst´ man ja bezahlen können. Und das wird nach Lage der Dinge schwierig, denn das durchschnittliche Künstlerjahreseinkommen betrug im letzten erfassten Jahr 2011 satte 14.142 Euro, also 1.178,50 im Monat. Abzüglich 400 … wären 778,50 … und, nicht vergessen, Selbstständige zahlen auch ihre Krankenversicherung komplett selbst (und falls sie auch noch Kinder haben, hey, die sind natürlich nicht mitversichert). Das könnte doch langsam eng werden mit dem täglichen Laugenbrötchen zum Leitungswasser.

Trost? Schwacher? Dieser: Vermutlich zahlt, wer´s in die KSK schafft, nur den Arbeitnehmeranteil der gewünschten Zusatzsteuer, also bloß 2.400 p. a., aber wer noch nicht drin ist im Künstlerangestelltenverein, zum Beispiel wegen „ich fang doch gerade erst an und mach keinen Scheiß-Mainstream“, dürfte sich an den 4.800 € komplett verschlucken.

Picassos, Newtons, Bölls in spe: Da hilft nur – ewig pro forma VWL studieren, bei Mama wohnen bleiben oder verbeamten lassen und heimlich unterm Schreibtisch malen. (Wie das in Öl gehen soll? Himmel, lasst euch was einfallen, Kunst braucht Widerstände.)

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Die Nachrichten der anderen (#3)

(Kreuters, Breaking News): Wie ZDF-Intendant Markus Schächter eben bekanntgab, verlässt der Sender mit sofortiger Wirkung den in den späten Achtzigern eingeschlagenen Quoten-Holzweg, entschuldigt sich bei seinen Geldgebern („der Gesamtbevölkerung“) und deckt von nun an täglich zur besten Sendezeit die Bedürfnisse all jener Zuschauer ab, die von den privaten Anbietern eben nicht befriedigt werden. Schächter räumte ein, erst jetzt verstanden zu haben, was „Vollprogramm“ in Zeiten voller Kanäle bedeutet, zitierte Kurt Beck mit den Worten „Wer arbeitet, macht Fehler“, und stellte die neue Prime-Time-Schiene vor. Die überflüssigerweise für 50 Millionen Euro pro Saison eingekauften Champions-League-Übertragungsrechte fallen mit sofortiger Wirkung (sowie gegen Rechnung) zurück an den privaten Free-TV-Anbieter Sat.1, „Wetten, dass?“ läuft ab Herbst bei RTL unter dem neuen Titel „Die große Audi-Wetten-dass-Show“. Das ZDF zeigt von montags bis sonntags jeweils um 20.15 Uhr nur noch gesellschaftlich Relevantes, das vom Industriefernsehen aus nachvollziehbaren Gründen nicht produziert oder gesendet wird. Montags, Mittwochs und Freitags werden politische Magazine ausgestrahlt, Donnerstags Talkrunden von morgens bis abends (neue Moderatoren werden gesucht), am Dienstagabend Dokumentationen. Der Samstag bleibt einer Kombination aus Doku und Spendenaufrufen vorbehalten, am Sonntag berichtet Markus Lanz live von Randsportarten, den Anfang machen Rhythmische Sportgymnastik und die EM im Synchronschwimmen. Schächter versicherte abschließend, die Volksmusik werde auch weiter ihren Platz im öffentlich-rechtlichen Programm finden, solange Sat.1 und RTL nicht endlich auch dieses Zuschauerinteresse bedienen.

Aufgewacht. Seither wieder nervös.

P.S.: Übrigens, junge Nachwuchsschöpfer und King-Content-Träumer, macht euch nichts vor, sucht euch andere Jobs, wir sind nämlich schon da und räumen garantiert keinen Sessel. Ihr kennt das doch, inzwischen: klopft ihr heute mit ner guten Idee bei den „ÖR“, werdet ihr empfangen wie die Anrufer vom Viagra-Call-Center im Nonnenstift oder jeder stinknormal vorbestrafte Zeitschriftendrücker im CDU-Vorort: „Wir kaufen nichts! Gehen Sie weg! Wenn Sie hier irgendein Programm vorschlagen wollen, vergessen Sie´s, wir machen bis 2016 nichts mehr!“ Immerhin, eine Option bleibt euch: Wer schnell genug vor dem Türzuknallen devot dazwischengeht (nicht mit dem Fuß; mit Worten) und sagt: „Ich bezahle! Alles selbst! Will kein Geld! Ich mähe Ihnen einfach nur den Rasen!“, der muss bloß noch eine Verschwiegenheitserklärung unterschreiben und darf sich anschließend nach Strich und Faden selbstausbeuten. Sogar vor Publikum, denn es schauen einem Dutzende von erfahrenen Redakteuren kritisch dabei zu. Und so was ist doch immerhin schon halb so nah am Berufsleben wie ein eigener youtube-Kanal!

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