Manchurian Candidate 2.0

Normalerweise empfehle ich keine Web-Videos und schon gar nicht solche von Fox News. Aber das via BoingBoing und mediaite gepostete Interview hier (Youtube) dauert bloß 3 Minuten, und ich schließe mich den Kommentatoren an. Tennis Mom war gestern, die Bauchrednerpuppe ist absolut creepy, nur „Papa“ muss noch ein bisschen üben und lernen, die Lippen nicht zu bewegen. Zieht euch warm an, Menschen …

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Cooler Glücksfall

Drive muss man unbedingt gesehen haben, aber man musste ja auch schon James Sallis´ Romanvorlage unbedingt gelesen haben. Nicloas Winding Refns Film (B: Hossein Amini) „nach dem Roman“ ist absolut gelungen und obendrein ein audiovisuelles Stil-Prachtstück, handwerklich in jeder Hinsicht bemerkenswert, toll fotographiert, toll geschnitten, toll gebaut, toll gespielt (allen voran von Ryan Gosling, Carey Mulligan und Bryan Cranston), kurz: toll.

Was´n Glück. Diese ganze Handwerkskunst um einen Stoff herum zu erleben, der schon ohne Bild und Ton toll war, eine sagenhafte Geschichte um einen, der nicht labert, sondern handelt, entlang eines rabiat hoch stehenden Moralkodex, der keine Gefangenen vorsieht (FSK 18, zurecht); dieser Fahrer ist der Gegenentwurf zu allen Wulffs, Olli Kahns und uns alltäglich umgebenden Dampfdumpfbacken, kürzer und mit College gesungen (im Abspann): A real hero.

In a real good movie.

(P.S.: Sallis (Roman-)Fortsetzung des zurecht preisgekrönten Drive erscheint im April unter dem Titel Driven bei Poisoned Pen. Die deutsche Version erscheint dann vermutlich wieder bei Liebeskind, auf den Titel bin ich gespannt (nachdem ja Drive auf Deutsch Driver hieß, wird man sich für Driven was Kühnes einfallen lassen müssen …)

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Pauschalzeitreisen, Last oder First Minute

Zugegeben, ja, ich liebe dieses Sujet, sowieso, dieses Ganze „Was wäre (gewesen), wenn?“, von Wells bis Capra, von Harris bis Fry, von Butterfly Effect bis Frequency bis Family Man bis If only – herrliche Geschichten kann man um diese Konjunktive erzählen – nur kann man´s leider auch halbgar zubereiten, drum: Augen auf beim Pauschalzeitreiseveranstalter.

Angebot 1 = für Sparfüchsinnen ohne Handicap IQ: Die Frau des Zeitreisenden. Ein Film nur für die rechte Gehirnhälfte – wer beide benutzt, hat Probleme mit Story und Film, denn für links ist nichts dabei. Der oder die links Abgeschaltete wird aber vermutlich Freude an der Meta-Botschaft haben, in nuce „Wir geh´n ja nicht verloren, Zeit ist sowieso unbedeutend, und es zählt allein: die Liebe“. So weit, so nett, und auf dem sanften Weg entlang dieser Quintessenz wird Frau auch noch getröstet, frei nach dem Credo: „Freu dich, dass du nicht mit einem Zeitreisenden verheiratet bist – dein Kerl verschwindet wenigstens nur spurlos in Kneipen“.

Für den auch rechts Mitdenkenden ist der Film allerdings eine Tortur, nicht nur, weil sämtliche interessanten Aspekte der Idee „Zeitreise“ komplett vergurkt sind (und, eben, unlogisch) sowie der Plot mehr Löcher hat als ein Nudelsieb, nein, auch weil die „Message“ so groschenromantisch ist und vieles zudem ungewollt creepy. Nix für ungut, poetische Esoterikerinnen und Niffenegger-Fanninnen, aber: da geht eine Sechsjährige allein und weitab von allem im Park picknicken, und aus einem Busch tritt ein nackter Mittvierziger und raunt „Hallo, Du, ich bin ein Zeitreisender“ – und das Kind läuft nicht schreiend weg? Sondern reicht dem Kerl ne Decke und setzt sich mit ihm hin? Argh. Na, mei, wozu noch erziehen? Es gibt doch lehrreiche Chick-Lit und die passenden Filme dazu. Naturgesetze? Linke Gehirnhälfte? Wird doch alles überschätzt …

Angebot 2 = all inclusiveauch inklusive Kakerlaken, Ratestunde am Pool und Eierlikör, also alles, was keiner will, das gibt´s in Stephen Kings Der Anschlag: sagenhafte 1056 Seiten voller Buchstaben um die simple, an sich spannende Logline: Mann findet Zeitmaschine und reist zurück ins Jahr 1963, um die Ermordung Kennedys zu verhindern.

Das hätte ein schöner Thriller werden können. Inklusive Meta-Ebenen 1-3. 480 Seiten. Vielleicht 520. Aber eben nicht 1056. So sind die Seiten zwischen 201 und 801 im Großen und Ganzen überflüssig, und wäre Der Anschlag ein Debütantenroman, hätt´s bestenfalls für bod oder Kindle gereicht. Aber King ist eben King, da redet selbstredend kein Lektor mehr rein und erst recht kein kluger Lehrmeister E. Leonard; so plätschert´s also hunderte Seiten lang öd vor sich hin, wie ein langer, einschläfernder Fluss, alle 50-100 Seiten weckt der Meister seine dösenden Leser mal wieder mit einem billigen Reminder resp. kurzem Paukenklopfer auf (Thema kommt! Gleich! Oder! Irgendwann!), räumt aber ja erfrischend fröhlich auch selbst in Interviews ein, er habe beim Schreiben keinen Plan (mehr), sondern schreibe einfach so vor sich hin. Es sei ihm gegönnt, und wer´s gern mit ausbaden möchte, der lese, anfangs und zum Ende hin mit Freude, dazwischen mit seeehr viel Geduld.

Die Frau des Zeitreisenden (nach einem Roman von Audrey Niffenegger) – Regie: Robert Schwendtke, Buch: Bruce Joel Rubin (2009/10 , für knapp 5 € beim DVD-Discounter).
Der AnschlagStephen King (Heyne 2011, 1056 Seiten, 21.99 €)
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Beruhigt Euch!

Da hegt und hütet man wie die eigenen Augäpfel seine lieben Sorgen, Nöte und die ganze Paranoia, und dann kommt dieses ausgelassene Huhn und gackert einem das alles mit nur 40 Seiten kaputt! So was sollte verboten werden! Oder noch besser: vom Arzt verschrieben, gegen alles.

Grandiose Idee. Prima Umsetzung. Pflichtlektüre. „Worth the hessel“. (Gautama Buddha)

Silke Burmester – Beruhigt euch! (KiWi 2012, 40 S., 3.99 €).
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Kleinkrieg, live

Dieser 4-Stunden-Krieg der USA wird wieder 600 Millionen Tote fordern und ginge damit in die Geschichtsbücher ein – wenn Hühner welche schreiben könnten. Tun sie aber nicht, sondern werden gegessen, eben: 600millionenfach an diesem Super Bowl Sunday, dem wichtigsten Sporttag des Jahres. Zirka eine Milliarde Menschen weltweit wird dem Event via TV beiwohnen, darunter etwa die halbe Bevölkerung der USA, und selbstredend ist auch das Drumherum wieder superlativ. Das Schalten jedes einzelnen der unzähligen 30-Sekunden-Werbespots kostet 3,5 Millionen Dollar, Tickets gab es (oder eben auch nicht) ab 2.000 Dollar, das Publikum sorgt beim Zuschauen unter anderem für den halben Jahresumsatz der US-Pizzaindustrie und speist nebenher 100 Millionen Kilo Knabberkram (für etwa eine Milliarde Dollar), 50 Millionen Bierkisten werden geleert (so die Bierbrauer selbst, obwohl … da müsste am Sonntag schon jeder Ami im trinkfähigen Alter 7 Biere trinken, also einigen wir uns doch besser auf 50 Millionen Dosen …?)

Der Superbowl ist aber nicht nur Sport, Werbung und Konsum, sondern The World in a Nutshell – komprimierte Darbietung dessen, was das Empire im Kern zusammenhält. Exakt mit dem letzten Ton der live vorgetragenen nationalen Hymne wird wieder ein Überflug von Air-Force-Bombern über das Volk im Stadion erfolgen, das noch mit der Rechten auf dem Herzen erhoben steht. Es folgt der Aufmarsch der Truppen, angeführt von weißen Ivy-League-Kommandanten (die hier Quarterbacks heißen) und ihre ethnisch bunt gemischten Soldaten geschickt durch die gegnerischen Reihen stoßen lassen, koordiniert bei ihrem hin- und herwogenden Angriffs- oder Verteidigungsstellungskrieg von vielköpfigen Kommandoständen an den Seitenlinien und hinter Panzerglas über dem Feld. Generäle mit Basecaps und Strategiekarten, beobachtet von lippenlesenden Spionen und Dechiffrierern der Gegenseite vor den Bildschirmen …

Nein, American Football hat so ganz und gar nichts mit Fußball zu tun. Unser Fußball ist Durcheinander. Pausenloses Durcheinander. Krieg in kurzen Hosen? Mag sein, aber wenn, dann mittelalterlicher Krieg, bestenfalls. Stammesfehde. Hauen und Stechen. Eine kreative Kneipenschlägerei. American Football hingegen ist koordinierter Raumgewinn. Stellungskrieg. Kein Kinderspiel.

Unterbrochen, wie es sich gehört, von Sponsorenhinweisen, denn das Empire lebt nicht vom Krieg allein. Die reine Kriegs- resp. Spielzeit beträgt nur eine Stunde, der Rest der 4-Stunden-Veranstaltung besteht aus Werbeunterbrechungen. Sowie einer Halbzeitshow, in der eine der herausragenden Unterhaltungsgrößen ihrer Zeit die Truppenmoral singend hebt. Damals Marilyn. Diesmal Madonna.

Dass American Football in Europa kein Publikum findet, versteht sich von selbst. Wir ticken völlig anders. Wir mögen ja auch keine chinesischen Opern. Und eben keinen Krieg, nicht mal Ersatzkrieg in gepanzerten Rüstungen, mit unrunden Bällen statt Eiergranaten. Dennoch: nichts vermittelt einem den faszinierenden Spirit der weltbeherrschenden Kultur und Nation besser als diese vier Stunden. (In den ganzen Genuss kommt allerdings nur, wer sich bei NFL.com artig anmeldet und für die Original-Werbeunterbrechungen bezahlt. Alle anderen müssen (bei Sat.1) deutsche Werbung kucken. Sowie eventuell später, ab 2 Uhr morgens, Funny Dubbing, sofern die Bänder wieder aufgetaucht sind …)

Wie? Ich? Kriegsfreund? Ich doch nicht! Kulturwissenschaftler, bestenfalls! Sowie stinksauer, dass Kyle Williams uns mit seinen gleich zwei völlig debilen Punt-Return-Fumbles gegen die Giants quasi im Alleingang aus dem Finale geschusselt hat, der Klappspaten. So bleibt also der wichtigste Preis der Welt mal wieder an der Ostküste, und wir müssen auf die Rückkehr der goldenen Zeit weiter warten. Bis Anfang 2013. Aber das dürfte sich ja mit den Vorhersagen der Maya decken – oder stand da etwa nicht drin, dass die 49ers nach der Zeitenwende zum zweiten Mal das „Team of the Decade“ werden?

Wie jetzt, das macht die Hühner jetzt auch nicht wieder lebendig? Was ist denn das für ne Bemerkung? Ich nehm doch nur 1 Bier und Chips und n bisschen Guacamole, das wirf ja wohl erlaubt sein beim Kulturstudium! (Okay, einen Burger?)

NFL Superbowl (New England Patriots vs. New York Giants), in der Nacht von Sonntag auf Montag ab 00.30 Uhr live in Sat.1.
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Künstlerdämmerung (#5): Businessplanung, in Arbeit

Skizzenblock: Nachdem man als Autor nun wirklich nicht mehr bestehen kann (geschweige denn drei Kinder ernähren), wäge ich bis zum Banktermin noch mal meine drei Businesspläne ab. Da muss doch ein Gründerkredit drin sein!

1) Druckloser Druckkostenzuschussverlag für ebooks. Zielgruppe: Lyrikerinnen ohne HTML-Dunst (= alle, ca. 20 Millionen, wachsen nach). Potential: Reicht zum Leben. (Post-it: Paar nette Inder einstellen, 400-Euro-Basis, Deutschkenntnisse nicht erforderlich, Texte werden durch Fehler höchstens besser).

2) Altenheim ausschließlich für Witwer, mit SKY-Sportpaket-Anschluss. Claim: Wir setzen auf Siech! (Nochmal verfeinern, prinzipiell Buddy-Bombenpotenzial).

3) Solarkraftbetriebenes Krematorium.

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Gut allein reicht

Warum machen Fernsehprominente so was eigentlich? So: aufrüttelnde Sach- und Fachbücher schreiben, laut „Alarm!“ rufen und dem Volk gute Ratschläge in Sachen Klimarettung und Kohlenstoffschuhgröße geben? Mein innerer Philantroph möchte natürlich annehmen: Weil sie ein Gewissen haben, weil sie verantwortungsvoll sind, und weil sie ihren Einfluss selbstlos nutzen wollen, um die Welt zu verbessern oder zu retten. Mein interner Misantroph soll also gehörig schweigen. Festhalten will ich aber doch dürfen, dass der ganz altruistische Weltretter-Promi sich nichts vormachen sollte, und zwar a) die eigene Strahlkraft betreffend („Das wollen bestimmt alle lesen, nicht nur meine Fans!“), und b) die Intelligenz der eigenen Fangemeinde betreffend – sonst nämlich geht das Ganze schief. Exemplarischer: Sofern es Hannes-Jaenicke-Fans tatsächlich gibt, kaufen die vermutlich gern ein Buch mit vielen Fotos von Hannes Jaenicke, auf denen Hannes Jaenicke auf dem Amazonas paddelt, Hannes Jaenicke betroffen auf tote Fische kuckt oder Hannes Jaenicke betroffen neben einem Eisbär sitzt oder neben Sigmar Gabriel. Oder Hannes Jaenicke sonst wie betroffen kuckt. Dazu braucht´s dann noch ein paar luftig gesetzte Simpeltexte sowie Gesprächsnachweise mit weiteren Promis (bzw. Röttgen, Gabriel oder anderen Leuten, die Hannes-Jaenicke-Fans kennen), und fertig ist der Appell. Der unter dem Titel Wut allein reicht nicht vielleicht tatsächlich den einen oder anderen Hannes-Jaenicke-Fan erweicht, sich die Chipstüte vor dem nächsten Fernsehfilm nicht per SUV ranzukarren, sondern zu Fuß von der Tanke zu holen. Das wäre dann: Mission accomplished.

Legt hingegen die Schauspielerin, Ärztin und Zweifachmutter Christiane Paul ein engagiertes Selbstversuch- und Umdenk-Buch vor (Das Leben ist eine Öko-Baustelle), ohne irgendwelche Fotos von sich und allerlei possierlichen Tieren, nur mit lauter kleinen Buchstaben drin, verkennt sie offenbar ihre Fan-Basis, denn die besteht ja aus Frauen, die beim Fernsehen bügeln oder vice versa – und nicht aus Akademikern, die sich gern von einer Schauspielerin mit Doktortitel erklären lassen möchten, wie die Dinge wirklich zusammenhängen. Das bügelnde Lieschen Müller allerdings vermutlich auch nicht. Drum wäre im Sinn der Sache (= unseren Planeten retten) weniger wohl mehr gewesen, denn ohne Bilder will Frau Bügelmüller vermutlich nicht mitlesen, und der echte Herr Doktor, der mit dem Klima-und-Energie-Durchblick, weiß leider schon nach wenigen Seiten, dass Frau Paul ihm nichts bahnbrechend Neues mitzuteilen hat, dafür viel Privates. Absurd, aber wahr: bei diesem an sich gar nicht verkehrten Buch hilft es, sich einfach vorzustellen, Frau Paul wäre nicht bekannt, sondern bloß Doppelmutter und Co-Autorin des guten Peter Unfried, der ja tatsächlich weiß, wovon er schreibt.

Allein: will der gedachte selbstkritische Laie einen kurzen und faktensatten Überblick über Status quo und Feel-Good-Optionen des Einzelnen in Sachen Klimawandelstopp lesen, greift er oder sie doch vielleicht besser zu Wir konsumieren uns zu Tode des Ressourcenstrategen Armin Reller und seiner Co-Autorin Heike Holdinghausen, die als taz-Redakteurin professionell Chemie-, Abfall- und Rohstoffpolitik beackert. Denn deren Buch kommt ganz ohne persönliche Anekdoten aus und konzentriert sich auf das eigentliche Problem (sprich: Wir kaufen zu viel und werfen zu viel weg), ist also deutlich zielführender als die oben genannten Berichte. Dafür ist der Umschlag nicht so schick wie der von Christiane Paul, denn Paul hat wirklich hübsche Augen, und Reller/Holdinghausen haben bloß einen hässlichen Müllberg.

Hannes Jaenicke – Wut allein reicht nicht (Gütersloher VH 2010, 240 S., 22.95 €)
Christiane Paul – Das Leben ist eine Öko-Baustelle (Ludwig 2011, 288 S., 19.99 €)
Armin Reller & Heike Holdinghausen – Wir konsumieren uns zu Tode (Westend 2011, 192 S., 12.99 €)
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