For The Win

Cory Doctorow hat schon wieder eins der wichtigsten Bücher des Jahres geschrieben. Letztes Jahr war´s Little Brother, dieses Jahr ist´s (resp. wird´s im Herbst bei Heyne) For The Win – ein Roman, der das Beste aus Doctorows preisgekrönter Short Story Anda´s Game in einen diesmal gut 500 Seiten langen Plot gießt und mit reichlich Gedankengut verrührt, das dem rotweinzynischen Feuilleton der Corporatocracy allenfalls ein hohnlächelndes „von gestern“ wert sein wird: Es kommt nämlich viel Widerstand vor. Sowie neues Gewerkschaftsdenken. Sozialistische Ideen gar. Themen, von denen meine Generation nichts wissen will, weil´s doch viel interessanter ist, Mario Barth zu kucken, weshalb auf Doctorows Werk auch ausreichend prominent „Jugendbuch“ steht, also: „12-15 J.“

Recht hat er, wie auch Susan Beth Pfeffer (siehe hier): Veränderungen werden von eben jener Generation der heute 12-15jährigen ausgehen, denn sie wird aus dem Trümmern, die unsere Generation hinterlässt, etwas Neues schaffen müssen. Und es ist sicher nicht verkehrt, rechtzeitig die Idee „Solidarität“ in die Hirne zu pflanzen. Umso besser, wenn´s mittels eines spannenden Pop-Plots gelingt, der weniger weit hergeholt ist, als es dem ahnungslosen Dummboxkucker erscheint: Doctorows Sklaven schuften in den Goldminen der World of Warcraft (resp. deren leicht in die Zukunft fortgedachten Nintendo- und Disney-Online-Imperien), und die Regeln sind wieder die, gegen die schon Brando in On The Waterfront entschlossen murmelnd auf die Barrikaden ging.

So schließen sich also die Kreise von der Generation Chomsky (bemerkenswert wieder mal hier) zur Generation Doctorow. Unsere, die verlorene, kreist weiter zwecklos in der Zwischenzeit.

Cory Doctorow, For The Win, Harper Collins, 506 S., um 10 Euro. Im Oktober für 16,99 € bei Heyne (und bitte, hoffentlich, nicht mit diesem dementen Cover frisch aus der Epoche direkt nach der Markteinführung des C64, mit dem´s angekündigt wird …)
P.S.: Ach so – umsonst geht´s natürlich auch, resp. gegen Public-Domain-Spenden, nämlich via Doctorows Website.
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Laborgurken

Statt des hässlich-volksmundigen „der findet nichma mippm Schleppnetz seinen Arsch im Dunklen“ schlage ich ab heute als amtliche Vollkofferbeschimpfung „Kochschüler“ vor, denn – bei allem nicht vorhandenen Respekt – so ne kreisförmige Lebensmittelseuchen-Ausbreitung im deutschen Norden; muss man da Wickie persönlich sein, um auf die zuallererste Idee „Hamburger Hafen“ zu kommen? Gut, dazu muss man natürlich über die nur Geheimdienstlern zugängliche Information verfügen, dass via Hamburger Hafen und angeschlossenem Großmarkt quasi der gesamte Norden mit Lebensmitteln versorgt wird … was man natürlich nicht weiß, wenn man im Tropeninstitut mit dem verlängerten Rücken zum Blick auf den Hafen sitzt …

Ganz gleich, was da in den nächsten Tagen noch nach- oder hochkommt an Gülle – die presseprechenden Labor-Rampensäue haben wahrlich ganze Arbeit geleistet, so kurz vor der ersten norddeutschen (EHEC-freien) Salat-Ernte. Also, Hirnspender, weißbekittelte, vor dem Einkauf in der Alsterhaus-Feinkostabteilung nicht vergessen: Münzen einstecken, die Hüte auf dem Trottoir gehören allesamt unseren vorletzten Hoffnungsträgern, den von Euch ruinierten lokalen Biokleinbauern.

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Schreckenskindliteratur, notwendige

Apropos Armbrust (siehe eben) (Spoiler): Lionel Shrivers von mir mehrfach hochgelobter Roman Dieses Leben, das wir haben (So Much for That) klettert ja nun Gottlob auch in den deutschen Bestsellerlisten Richtung angemessener Position, also 1, aber dabei will ich doch den Hinweis auf Shrivers ebenfalls großartiges Vorvorgängerwerk nicht vergessen: Wir müssen über Kevin reden ist zwar ungefähr 100 Seiten zu lang geraten, aber mehr ist daran tatsächlich nicht auszusetzen. Der Rest ist schockierend originell, und wer mehr Inhaltsangabe und Spoiler braucht, findet die zuverlässig im Hobby-Rezensenten*-Amazon-Universum.

Lionel Shriver / Dieses Leben, das wir haben (Piper 2011, dt. von Monika Schmalz, 544 S., 19,95 €)
Lionel Shriver / Wir müssen über Kevin reden (List 2006, dt. von Gesine Strempel und Christine Frick-Gerke, 560 S., HC nur noch antiquarisch, TB für 9,95 € bei Ullstein).
* Nur: Vorsicht bei den verblüffend vielen, die ihre ungeheuer maßgeblichen Besprechungen mit meist zirka diesen Worten beginnen: „Das Buch ist so gut/schlecht, dass ich jetzt doch mal eine Rezession schreiben muss.“
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Mitgehangen

Nehmen wir doch für den Augenblick politisch ganz unkorrekt an, es gäbe tatsächlich dümmere und klügere Menschen. Solange die in verschiedenen Welten resp. Dörfern leben, können die Klügeren natürlich aus der Ferne zusehen, wie die Schildbürger sich die Schornsteinschlote in den Keller verlegen (damit die nicht nass werden) oder den ganzen Tag KZ-Fleisch essen und Milch trinken. Wohnen nun aber Klügere und Dümmere in einem Dorf, stellen die Klügeren spätestens beim Befall ihres Ökosalats mit lethalen EHEC-Bakterien fest, dass ihre Haltung „Lass sie doch abkratzen, die Blöden – ich esse Rohkost“ nicht halb so klug ist, wie es ihnen selbst vorkam. Woraus sich dann zwingend ergäbe, dass die Klügeren den Dümmeren vorschreiben müssten, wie der Hase wohin läuft, wollen die Klügeren nicht selbst dummerweise abkratzen.

So weit, so logisch. Und ausgehend von der kühnen Prämisse, dass wir, die wir gerade an diesem Blog-Eintrag zusammensitzen, die Klügeren sind, müssten wir also tätig werden. Nicht nur auf unseren eigenen Einkaufzetteln, sondern auf denen der Dummen. Anders gesagt: Wir müssten nicht nur mit bestem Beispiel vorangehen, sondern die Dummen förmlich zur Vernunft zwingen, damit sie uns nicht auch noch die Biogurken verpesten …

Aber mit dieser Erkenntnis endet jäh der kühne Traum. Denn das wäre in der Tat mühsam. Denn die Wahlfreiheit gilt ja weiter, von der Fleischtheke bis zur Urne. Man würde uns also was husten, und zwar mitten ins Gesicht.

Weshalb uns nur die fröhliche Resignation bleibt. Die Dummen sind Legion, die Klügeren wahlweise zynisch oder bequem, so oder so zuverlässig imprägniert gegen die Vorstellung, sie könnten die Welt verbessern, und so treffen wir uns beim Demeter-Bauern unseres Vertrauens und begrüßen einander mit einem milden Lächeln über der Auslage: Da ham wir den Salat.

(Fragt sich nur, der Vollständigkeit halber: Was machen wir, wenn die Güllesuppe endgültig ins Grundwasser überläuft? Wer´s aushält, liest hier kreuz und quer (auch wenn die Meldung aus Weitwegistan kommt). Kennt jemand wen, der buchstäblich an der Quelle sitzt? Falls, bitte ich um Weitergabe meiner Bitte, mich um einen Platz möglichst weit oben am Bachlauf bewerben zu dürfen – und verspreche, meine Armbrust mitzubringen.)

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Kahn (aus dem Loch) und Loch (im Kahn-Plot)

Zäh, die Posse. Der Auftakt war tolerabel gebaut für einen billigen Vorabendkrimi – mächtiger Mann mit bekannter Sexvollklatsche wird von sympathischer kleiner Hotelangestellter (schwarz, alleinerziehend, kein Mindestlohn) direkt nach einem miesen Übergriff angezeigt -, aber selbst für den dussligsten Sofahocker & Chipsfresser bereits in Minute 5 des Dutzendformats als abgekartetes Spiel verstanden (denn das weiß ja selbst der Dummboxabonnent ohne Dramaturgiestudium: War´s a) eine Vergewaltigung, muss sich das schockierte Opfer erst mal tagelang mit Freunden und Vertrauten besprechen, immerhin weiß es: gegen den mächtigen reichen Mann kommst du eh nicht an, worauf dann entweder geschwiegen wird oder Freund X den mächtigen reichen Mann zu einer Schweigegeldzahlung zu erpressen versucht, was dann im Lauf der nächsten Tage und Wochen gelingt oder böse endet etc.; war´s hingegen b) von vornherein ein Reinlegungs- und Erpressungsversuch, geht das Opfer sowieso nicht sofort zur Polizei, sondern frühestens nach Tagen, sofern die Erpressung nicht hinhaut. Zudem wäre der reiche Mann sogar für den B-Serien-Spätabend entschieden zu dusslig besetzt mit einem, der sich statt in die Hände eines Escortgirls in die eines x-beliebigen Zimmermädchens begibt, das ihn ja eh höchstens erpressen wird, also: insgesamt eine Exposition vom Allerdurchschaubarsten, mit verräterisch schreiendem Cliffhanger in Minute 5: Das Opfer geht schnurstracks (!) zur Polizei, der reiche Mann wird schnurstracks verhaftet, und französische Journalisten melden die Verhaftung des designierten Sarkozy-Nachfolgers sogar schon Minuten vor der Verhaftung.)

Die fiktionale kriminelle Billigautorenfolge hat aber einen Riesenvorteil, denn die wird an dieser Stelle bloß von fünf Minuten lästiger Werbung unterbrochen, ehe es endlich ans Eingemachte geht, also Ermittlung und Aufklärung. In der Realität hingegen kommt statt kurz Werbung tagelang Anne Will – und das ist deutlich mehr AufdieFolterspannen, als der seidenpapierdünne Plot verträgt.)

Halten wir also in der viel zu langen Laberpause fest, für Hobbydramaturgen: Der fiese Sexmackenmacker ist eindeutig überführt, und zwar des Spermaabschlagens auf fremdem Teppichboden. Die genauen Umstände sind nicht ganz klar (die Unschuldvermutung gilt allerdings bis auf Weiteres), klar ist nur, dass das Underdog-Opfer schnurstracks nach Ab- resp. Anschlag bei den Bullen war, mithin aus bislang unerfindlichen Gründen nicht mal stundenlang Sorge hatte, seinen lebenswichtigen Putzjob zu verlieren, ergo wahlweise unheimlich tollkühn ist oder sicher, nach dem Vorfall nicht mittellos dazustehen.

Und von hier an möchte ich nicht in den Schuhen der wahren Planer, Dramaturgen und Darsteller stecken. Hoffe aber, dass es keine Gewissensbisse, keine Schwachstellen und Dampfplauderer im Sarkozy-Umfeld gibt, denn das würde am Ende sowohl Kahn als auch Sarko erledigen und die rüde Tante Le Pen mit dem gefühlten Seitenscheitel und dem Schnauzer auf den französischen Regierungssessel befördern. Und da sei doch bitte der Himmel vor – oder wenigstens Thespis.

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Besserverdienendeblondinenbelletristik (pc)

Für Little Bee sollte man Chris Cleave in den Urlaub schicken. Nach Nigeria, aber nicht an den Strand, sondern zu ganz normalen Miliz-Mitgliedern im Hinterland. Sofern er das überlebt, schreibt er danach vielleicht ein gutes Buch. Oder wenigstens kein komplett beklopptes wie – Little Bee.

Aber was heißt hier „bekloppt“? Bekloppt wäre ja bloß einfach doof, daneben, debil, vielleicht ärgerlich, aber Cleaves Buch ist noch viel schlimmer. Nennen wir´s: krank, link, menschenverachtend, kalkuliert, zynisch. Weil?

Die Verlags-PR ist prima, sinngemäß oder fast wörtlich: „Wir können Ihnen nicht verraten, was in diesem Buch passiert, aber es wird sie total mitnehmen!“ Und Cleave baut seine Story dann auch so auf, anfangs noch mit sauberen Mitteln (bis zirka Seite 20): Wir lernen ein junges nigerianisches Flüchtlingsmädchen bei der Quasi-Flucht aus einer Asylbaracke bei London kennen – einem Detention Center, in dem die Ärmste zwei Jahre lang hocken musste. Davon wird Cleave irgendwann mal gelesen haben, in einem Frauenblatt, und Little Bee – dieses Mädchen – wäre in der Tat eine interessante Figur. Ist interessant. Von ihr und ihrem Leben, ihrem Weg, will ich etwas wissen.

Nun weiß aber Cleave, der Kenner: Das will seine Zielgruppe eben nicht. Nämlich das wissen. Denn seine Zielgruppe sind Frauen. Mitte 30 bis Mitte 40, urban, modisch, irgendwas mit Medien oder „wär gern irgendwas mit Medien“, mit Zeit für Wellness, Shoppen, Lesen und vor allem mit Interesse daran, interessiert an der Welt zu wirken, kurz: ultimative Dumpfbacken. Also erfindet Cleave eine Protagonistin, mit der sich seine Zielgruppe komplett identifizieren kann. Sarah. Blonde Chefredakteurin eines Frauen-Lifestyle-Magazins. Mutter eines putzigen Vierjährigen, der den ganzen Tag im Batman-Kostüm rumläuft. Und Sarah verbindet etwas Entsetzliches mit Little Bee. Aber was? Das können wir Ihnen nicht verraten!

Selbst als Little Bee und die blonde Dumpfbacke nach der entsetzlichen Beerdigung von Dumpfbackes selbstgemordetem Mann zusammentreffen (den ebenfalls etwas ENTSETZLICHES mit Little Bee verbindet, aber was?), erfahren wir Leser nicht, worum es sich handelt. Die (Ich-Erzähler)-Frauen müssten zwar sofort über dieses ENTSETZLICHE reden oder daran denken (spätestens jetzt, aber eigentlich müssten Sie von Anfang an dauernd dran denken), aber das tun sie nicht – auch nach der Wiederbegegnung nicht. Wär ja auch doof, denn dann wüsste ja die Leserin, um was es sich handelt bei dem mysteriösen ENTSETZLICHEN „Ereignis“, das die beiden verbindet. Und das sie einander, sich selbst und uns verschweigen.

Dieser billige Taschenspielertrick nervt dermaßen, dass man das Buch spätestens auf Seite 80 empört in den Kamin werfen möchte – aber wer selbst als Erzähler arbeitet, der sitzt einfach fassungslos vor dem unfassbaren Chuzpe-Zeugnis (im Wissen, dass eine Million beknackte Sarahs das Buch zum Bestseller gemacht haben) und möchte doch dringend wissen, ob´s etwa noch schlimmer werden kann – oder ob´s wenigstens handwerklich rechtschaffen weitergeht und dämlich, also kitschig endet.

Aber nichts da. Es wird schlimmer. Cleave gibt alles. Denn ihm ist sehr bewusst, dass seine dämliche Leserin sich einen Scheiß für Nigeria oder das Schicksal nigerianischer Mädchen interessiert. Sprich: Little Bee ist Staffage und Quotennegerin, aber bleiben kann sie natürlich nicht, weder in England noch am Leben, denn das wäre nicht ausreichend tragisch für die Million lesender Sarahs. Also muss Little Bee weg. (Interessanterweise scheint Cleave auf dem Weg seine Protagonistin selbst hassen zu lernen, kann ihr das aber nicht auf den Kopf zuschreiben, schließlich will er seine Leserinnen (die er offenbar ebenfalls hasst) nicht verlieren (weil er ihr Geld braucht). Ob er sich mag? Passe …)

Die komplett unglaubwürdige Story entwickelt sich dann jedenfalls vor- und rückblickend so (Spoiler! Unbedingt!): Sarah, blond wie ein Eimer, ist unreflektiert in der Midlife-Crisis. Ihren netten, klugen und politisch interessierten Times-Kolumnisten-Mann betrügt sie mit einem attraktiven Deppen (Männe ist so nett, trotzdem zu bleiben), sagt ihm das auch noch (Männe ist so nett, trotzdem zu bleiben), betrügt ihn weiter (Männe ist so nett, mei  …), lädt ihn dann zum Versöhnungs-Urlaub ein, ausgerechnet nach Bürgerkriegs-Nigeria, was er für eine dämliche Idee hält, ihr aber nicht ausreden kann (er ist so nett …); wo die beiden dann am Strand über zwei verfolgte Mädchen stolpern (Little Bee & Schwester) und an eine Bande Söldner geraten, die die Mädchen töten wollen. Der fiese Anführer verspricht, die Mädchen freizulassen, wenn Saras Männe sich einen Finger mit der Machete abschlägt, Männe versucht´s (nett) und versagt (nett), dafür schlägt sich Sarah ohne zu Zögern einen Finger ab (boah, taff!) – aber freigelassen werden die Mädchen trotzdem nicht (nicht nett, die Mördermilizen). Sarah und Männe fahren heim, Sara findet Männe schwach, wegen des Fingers, betrügt ihn offen weiter mit dem attraktiven Deppen, Männe findet sich auch schwach (wie nett), zerbricht vor Scham und hängt sich auf (zu nett für diese Welt, nee, zu blöd, aber sonst wär er ja auch nicht mit Sarah verheiratet). Unterdessen wird Little Bees Schwester totgefoltert, vergewaltigt und zerhackt, vor den Augen und Ohren der kleinen Schwester, deren lange Flucht anschließend in zirka einem Absatz zusammen gefasst sind, denn solche Details interessieren Cleave nicht besonders; er muss sich ja um Sarahs Gedanken, ihren Job bei ihrer Frauenzeitschrift und ihre Affäre kümmern. Sowie den putzigen Sohn, Batman, der nicht richtig sprechen kann.

Little Bee taucht bei Sarah auf und freundet sich dem zurückgebliebenen Kind an. Das am Themseufer verloren geht, worauf Little Bee die Polizei rufen muss (sie ist so nett), worauf sie festgenommen und ausgewiesen wird – nach Nigeria. Heldin Sarah taucht im Deportationsflugzeug auf, begleitet Little Bee nach Nigeria und schreibt über sie, um sie zu schützen. Schleppt die junge Frau dann aber ohne Motiv und Verstand an einen Strand wie den ursprünglichen, wo die Polizei Little Bee aufgreift und mitnimmt. Cleave lässt keinen Zweifel, dass die Kleine damit ihr Schicksal gefunden hat, also entsorgt ist, also tot. Ende.

Merke: das (Little Bee = tot) erfahren wir auf der letzten Seite, allerdings wird die Geschichte – wenigstens Little Bees Seite der Geschichte – die ganze Zeit von der „Ich-Erzählerin“ Little Bee vorgetragen. Die nach allen Basisregeln des Erzählens nun eigentlich nicht tot sein dürfte, weil ja Tote keine rückblickende Geschichte erzählen können.

Aber bei Cleave geht auch das, natürlich. Es merkt ja keiner. Oder eben: keine. Und das ist das eigentlich Erschütternde an diesem Buch – beziehungsweise am Erfolg des Buchs. Dass es Menschen, Leserinnen gibt, die das alles nicht merken. Die das alles nicht lesen. Denen völlig wurscht ist, dass das Buch einfach nicht geht, nicht funktioniert, dass es nicht nur inhaltlich skandalös ist, sondern obendrein handwerklich unmöglich, ein peinlicher Fall, den jeder Lektor mit Schwung in die Altpapiertonne hätte entsorgen müssen.

Aber sie merken es nicht, die Sarahs. Sie lesen das in Scharen, finden sich gegenseitig politisch interessiert, weil eine kleine Nigerianerin als Staffage im brunzblöden Egoistinnenleben ihres Alter Ego Sarah mitspielt, und legen das dämliche Machwerk am Ende mit einer Träne im Auge auf den Coffeetable – sowie den Worten, „Ach, das war ja sooo erschütternd“ ihren Freundinnen ans Herz.

Immerhin, das stimmt, irgendwie. Erschütternd ist´s.

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OBL, entsorgt

Höchste Zeit, so kurz vor dem 10ten „9/11“-Jahrestag und den dazugehörigen Reden, den mutmaßlich schon seit vielen Jahren mausetoten Al-Kaida-Chef nun auch offziell zu den Fischen zu schicken. Fragt sich nur, ob diesmal nicht auch der tumbe Normal-Tagesschaukucker aufmerkt und sich kopfkratzend wundert, wieso die Amis denn dem Meistgesuchten gleich ein „Kill-only“-Kommando schicken, nach vollbrachter Tat ein billiges Photoshop-Foto der zerschossenen Leiche in alle Kanäle blasen und den Leichnam dann auch noch (schneller als die pakistanische Polizei erlaubt) vom Hinrichtungsort entfernen, 1.700 Kilometer weit ans Meer fliegen, dort sofort kremieren und anschließend auch noch außerhalb der Dreimeilenzone seebestatten, dass es eine Art hat – aber garantiert keine islamische. Und: wie kriegt man denn jetzt die DNA-B-Probe an den Start? Mit ner Angel?

Ach so, und falls der eine oder andere es nicht mitbekommen hat: das zwischenzeitlich nach 183 Waterboard-Sessions hinter sogar für die 9/11-Commission fest verschlossenen Guantanamo-Türen vollgeständige „9/11-Mastermind“ Khalid Sheich Mohammed wird jetzt – entgegen Barack Obamas Ankündigung vom Vorjahr – doch nicht öffentlich in New York präsentiert und gerichtlich verhandelt, sondern vor ein Kriegsgericht gestellt. Unter Ausschluß der Öffentlichkeit, in Guantanamo. Was der US-Präsident en passant erwähnte, bei Bekanntgabe seiner erneuten Kandidatur für das höchste Amt.

Aber so ein 10ter Jahrestag ist ja in der Tat ein schöner Anlass zum Großreinemachen. (Ecken nicht vergessen, da ist noch reichlich Schmutz).

P.S.: Vormerken und nach Lektüre Wikipedia-Einträge korrigieren: 11. 9. – Zehn Jahre danach: Der Einsturz eines Lügengebäudes von Mathias Bröckers und Christian C. Walther erscheint im Juli bei Westend/Piper (für 16.99 €), und ich versichere, da ich die Autoren kenne, dass es lesenswert sein wird.

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