Parole: Sonntagsbraten

Das wird den Vegetariern ganz und gar nicht schmecken, nämlich: Fleisch essen, Tiere lieben von einer jungen Journalistin mit dem gut gewählten Namen Theresa Bäuerlein. Ihr schmales und gut recherchiertes Buch belegt mit fast gemeiner Präzision, dass wir ohne unsere Weiden vollscheißenden Rinder nur noch auf Kunstdünger zur Erzeugung von ausreichend Ernte zurückgreifen könnten, und Kunstdünger ist, wie sogar die Vegetarier wissen, aus Erdöl gebaut und damit aus gleich mehreren Gründen zukünftig nicht mehr zu verwenden … und überhaupt: Soja ist nicht gesund, schmeckt komisch und wächst dort, wo vorher Regenwald stand. Und so weiter. Und so fort.

Klingt nach Gegenverschwörungstheorie, ist´s aber nicht, sondern ein Appell zur Mäßigung oder kürzer: Bäuerleins kleines Buch lohnt sich wahrhaftig als Beilage zu Foer und Duve, denn es sortiert reichlich Bullshit aus und serviert unterm Strich nichts anderes, als die waghalsige, aber nicht schlankweg vom Tisch zu wischende Forderung nach: Sonntagsbraten. Sprich: wenig Fleisch. Einmal die Woche. Von Tieren, die man persönlich gekannt und möglichst auch persönlich umgebracht hat.

Es wird Bäuerlein allerdings nichts nützen, dass sie ständig und explizit die Massentierhaltung in Grund und Boden verteufelt. Wie die wüsten Rezensionen im weltweiten Web zeigen, können dogmatische Vegetarier nämlich nicht nur Kälber und Küken ganz doll lieben, sondern auch ganz doll nicht lesen. Bäuerlein kriegt daher ordentlich auf die Mütze und wird allerorten als bloßes PR-Produkt der „Fleischproduzenten“ (was für ein Wort!) diffamiert, was sie aber nun mal nicht ist.

Sondern bloß eine vernünftige junge Frau, die intelligente Fragen stellt und ein paar intelligente Vorschläge mitbringt. Wenn sie Glück hat, landet sie damit hart zwischen allen Stühlen, wenn sie Pech hat, landet sie binnen sechs Monaten beim Buch-Abdecker. Was allerdings ein Jammer wäre.

Theresa Bäuerlein: Fleisch essen, Tiere lieben (Ludwig Verlag, München 2011, 160 S., 12.99 €)

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Kinderschreckliteratur, notwendige

Selektive Wahrnehmung? Oder Tatsache: „Endzeit“ dermaßen en vogue, dass längst auch die Bewohner unserer Kinderzimmer bestens im Bilde sind. Oder sogar besser im Bilde als ihre Eltern? Die Bücher von Susan Beth Pfeffer sind jedenfalls angeblich für die Altersgruppe „12-15 J.“, und sollte jene danach noch ruhig schlafen können, bitte ich um Bluttransfusionen von ausgewählten Exemplaren. In Pfeffers Büchern (s. u.) ist einzig die Prämisse „Ein Asteroid trifft den Mond“ vereinfachend (und lässt jugendgerecht das wahrscheinlichere Szenario „Krieg nach Wirtschaftszusammenbruch“ links fallen), der Rest ist erschreckend realistisch. Sprich: Pfeffer beschreibt in schlichter Prosa nichts weiter als die Folgen eines totalen Zusammenbruchs der Normalität infolge einiger Tsumanis, Klimaveränderungen (incl. Vulkanausbrüchen) und der kaskadenartigen Konsequenzen für Versorgung und Alltagsleben. Resp. Alltagssterben. Am Beispiel einer ganz normalen Familie, und das aus der Tagebuchsicht einer 17jährigen.

Ob das Erwachsene nicht unterfordert? Hm. Weichen Erwachsene dieser Art von Literatur nicht sowieso gekonnt aus und gehen statt dessen in die Sauna? Na, eben.

Sinnlos ist´s also auch, jene auf Janne Tellers neues Buch (sehr klein, sehr kurz und sehr hübsch aufgemacht) hinzuweisen, nämlich Krieg: Stell Dir vor, er wäre hier, denn das passt prima und lässig in eine knappe Lesestunde, zusammen mit Stephané Hessels Empört Euch! Ob das auch irgendwer aus der Generation „Ü 18“ gekauft und gelesen hat? Und wird Hessel noch erleben, dass die Jüngeren es beherzigen? Zu wünschen wär´s, uns noch mehr als dem alten Herrn.

Susan Beth Pfeffer – Life as We Knew it / The Dead and the Gone / This World We live in (Harcourt Brace, 2008-2010, Band 1 und 2 für um 6 €, Band 3 (HC) um 12 €), dt. bei Carlsen als Die Verlorenen von New York (16,90 €) und Die Welt, wie wir sie kannten (17,90 €), Band 3 folgt).
Teller, Janne – Krieg: Stell dir vor, er wäre hier (Hanser 2011, 64 Seiten, 6.90 €)
Stephané Hessel – Empört Euch! (Ullstein 2010, 32 Seiten, 3,99 €)
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Macht hoch E10

Psst, Mainstream: Nicht geeignet kommentieren. Bloß keine schlafenden Hunde mit der Nase auf das offensichtliche Schnitzel stoßen; nicht, dass das am Ende noch Schule macht: „wir“ haben nämlich Macht. „Wir“ können – per Abstimmung mit der Kreditkarte, an der Supermarktkasse alles erreichen. Sogar Freilandeier und Bio-Würstchen.

Oder eben das Ende von „E10“ (wenn auch mit den völlig falschen Argumenten, nämlich „da geht mein Motor putt von“ statt „da verhungern Menschen wegen“, aber sei´s drum).

Andererseits: kommt jetzt doch bestimmt irgendein grünschwarzer Politikerdarsteller drauf, „E10“ kurz aus dem Straßenverkehr zu ziehen und den Mineralölkonzernen zu erlauben, das Zeug mit neuem Etikett im Sommer zu relaunchen. Vorschlag: „Ultimate Green Power“, 4 Cent unter Superpreis, das sollte doch reichen, um Otto Normalverbraucher in Grund und Boden zu foppen.

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AutorenvonderHandindenMundraub

Dem maßgeblichen Flaneur und Zivilisationsphilosophen Henning Stegelmann ist hiermit kategorisch zuzustimmen: Bücher werden nicht ver- oder geliehen, basta. Eine anregende Buchempfehlung aus vertrauenswürdigem Freundesmund diktiert exakt eine Handlung, nämlich den Erwerb des gelobten Objekts zum Marktpreis – und eben garantiert keinen moralisch höchstens minderwertigen Versuch, den Künstler zu schröpfen. Vulgo: „Kannsu mir das ma leihn?“ ist arschklarer Mundraub.

In diesem Zusammenhang gestatte ich mir die anekdotische Randbemerkung, dass ich ein besonders unherzliches Verhältnis zu halbnahen Bekannten und Gelegenheitsbesuchern pflege, die mir ein Beleg-Exemplar eines meiner eigenen Werke aus dem Kreuz schnorren, um dann ein halbes Jahr später mal wieder vorbeizukommen und begeistert zu meinen, „Tolles Buch! Tolles Buch! Hab ich sofort gelesen und bestimmt schon fünfmal weiterverliehen!“

Ich weiß, ich weiß, das soll ein Kompliment sein, und ihr denkt darüber nicht nach, aber genau dies führt ja in meinem Dachkämmerchen zu massivkognitiver Dissonanz: Denn wenn kein Organ in eurem Körper wohnt und schaltet, das euch umgehend die demente Dimension solchen Verhaltens wie gedachten Loblaberns schallend zwischen den Ohren aufblitzen lässt, mit welchem Organ könnt ihr dann überhaupt Buchstaben Sinn abgewinnen, vulgo meine Bücher lesen?

Es bleibt rätselhaft. Aber tröstlich immerhin die Ergänzung des Flaneurs: „Weist man Menschen darauf hin, dass Autoren vom Verkauf ihrer Bücher leben – beziehungsweise satte 40 Cent pro 10-Euro-Taschenbuch einstreichen -, ja, da sagt dann fast jeder verblüfft: So hab ich das ja noch nie gesehen!“

Ich weiß ja nicht. Gelegentlich kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass diese dauernden Elektronik-Fachmärkte-Werbeclaims doch irgendwelche Schaltkreise weich machen.

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Literaturverfilmung, Sammel- und Einzelbemerkung zur

„Ein Buch ist ein Buch und ein Film ist ein Film und Whisky gehört nicht ins Eisfach, und wer das nicht weiß, der trägt auch breite Schlipse.“

Dieser vernichtenden Wahrheit von Harry Rowohlt ist natürlich nichts hinzuzufügen, außer vielleicht ausnahmsweise: Der Film, den Daniel Woodrells Roman „Winters´s Bone“ zwangsläufig und glasklar vor dem geistigen Auge entstehen lässt, ist um Längen besser fotografiert, beleuchtet und inszeniert als der hochgelobte Film „Winters´s Bone“ nach dem Roman von Daniel Woodrell.

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Jede Menge Endzeit

Menschen, die (wie ich) aus gottweißwelchen seltsamen Gründen in schlaflosen Nächten gern Action-Sci-Fi-Endzeit-Filme sehen und deren DVD-Player gerade in der Wäsche ist, durchblättern bei Gelegenheit schmerzlos Patrick Lees The Breach (Die Pforte). Popcorn für die Rübe oder den Poolrand, einigermaßen sauber gebaut, erst recht souverän erzählt und jederzeit stromsparend.

Erheblich ambitionierter als der junge US-Drehbuchautor geht Liz Jensen zu Werke, deren neuer Roman The Rapture gerade unter dem etwas unglücklichen Titel Endzeit auf Deutsch erschienen ist (andererseits: wo ist das deutsche Wort, das gleichzeitig „Taumel“, aber auch „Verzückung“ bedeutet?) Die Story – eine junge Psychopathin und brachiale Muttermörderin sagt ihrer traumatisierten und halb gelähmten Therapeutin zutreffend das Ende der Welt resp. das Ende Englands voraus – ist nicht ganz gelungen, aber der Versuch verdient Respekt, denn während Lees „Pforte“ ein eleganter Sprung über eine bei 1.70 Meter liegende Hochsprunglatte ist, reißt Jensen 2.32 Meter (2.22 hätte sie geschafft). Wer also auch die Kühnheit des Versuchs in seine Bewertung künstlerischen Schaffens mit einfließen lässt, ist in Jensens literarisch ambitioniertem Endzeit-Offenbarungs-Ökothriller-Zukunfts-Frauenroman deutlich besser aufgehoben als beim Flachspringer Lee.

Liz Jensen: Endzeit (Ü: Susanne Goga-Klinkenberg, dtv 2011, 400 S., 14.90 €)
Patrick Lee: Die Pforte (Ü: Ulrike Thiesmeyer, Rowohlt 2010, 384 S., 8.99 €)
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Let´s Make Money

Auf den britischen Kanalinseln liegen in diversen Trusts etwa 15 Billionen Euro an schwarzem Privatgeld herum, das via Caymans, Schweiz und Luxemburg dann wieder einen nützlichen Beitrag zum Wirtschaftswachstum leistet – allerdings nur dem der Besitzer. Gedankenspiel: Verzinste man die Kohle regulär zu Normalreichensparersatz von sagenwirmal 6% und erhöbe dann eine unerhörte Kapitalertragssteuer von sagenmirmal 25% auf die Zinsgewinne, verfügten die Staaten Europas über jährlich 250 zusätzliche Milliarden Steuereinnahmen. Womit man die Komplettbegrüng der Energieversorgung bis 2020 lässig hin bekäme, ohne irgendeinem Kleinsparer in die Tasche greifen zu müssen oder wahlweise jährlich fünffach erreichen könnte, dass kein Mensch mehr hungert, verdurstet oder an Malaria verreckt.

Die Zahlen stammen aus Erwin Wagenhofers gelungen unschöner Dokumentation Let´s Make Money, randvoll mit Erhellendem, entstanden nach dem letzten Crash-Knall, und dringend zu goutieren vor dem nächsten. Müsste eigentlich für eine Revolution reichen, bestünde das Publikum nicht aus Individuen mit der Aufmerksamkeitsspanne von Stubenfliegen.

Einen verblüffenden Kommentar zu letzterem sowie zur Gesamtlage liefert Mike Ruppert in der erst recht sehenswerten Dokumentation Collapse, die im Grunde nur aus … Mike Ruppert besteht. Der wachen Geistern wegen seines maßgeblichen Werkes „Crossing The Rubicon“ ein Begriff sein wird, also praktisch niemandem. Ansehen sollte man sich den unter Dauerstrom stehenden Autodidakten allerdings, zuhören sollte man ihm erst recht, und vermutlich sollte man es ihm sogar nachtun, aber ich will hier nicht das Ende verspoilern. Bemerkenswert jedenfalls Mikes gehässiger Kommentar in die Richtung all jener, die ihn als „Verschwörungstheoretiker“ billig diffamieren: Die Theorie liege lange hinter ihm, er sei seit Jahren Verschwörungswissender. Recht hat er.

Ergänzende Frage: Gibt es RWE noch? Nicht, oder? Nach der Schadenersatzklageandrohung gegen uns alle wegen der AKW-Abschaltung haben sämtliche Kunden der Firma den Stecker rausgezogen, korrekt? Gottlob. Andernfalls hätt ich ja auch den Rest der Welt endgültig nicht mehr verstanden.

P.S.: Für des Englischen mächtige Sparfüchse: PBS strahlte vorgestern eine ebenfalls recht aufschlussreiche Doku aus, und zwar im Rahmen der Reihe Journey To Planet Earth. Plan B: Mobilizing to Save Civilisation, 90 Minuten über die jüngste Reise des in alle wesentlichen Sprachen übersetzten „Environmentalist“en Lester Brown. Online ist das Ganze bis wenigstens zum bis 1. Mai, geeignet für schattige Apriltage, und zwar jederzeit hier.

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