Das Blödeste an leibhaftigen Dampfschwadronierern ist, dass man sie eigentlich nur mit Betäubungsmitteln im Espresso zum Schweigen bringen kann, aber Karen Duve hat ja gottlob nur ein Buch vollgedampft – und dem („Warum die Sache schiefgeht“) kann man, ohne unhöflich zu wirken, das Maul stopfen, indem man lässig weiterblättert bzw. den Sermon rasant vorspult. Mit dem zunehmend felsenfesten Eindruck: Was Duve eigentlich genau sagen will, weiß sie nicht, aber sie tut das sehr laut. Und frei springend. Wohl begleitet von einem verzweifelten Lektor, der dem Ganzen eine Ordnung aufzubrezeln versucht hat, in Gestalt schicker Kapitelüberschriften von „Einsatzbereitschaft“ bis „Durchsetzungsvermögen“, also tugendhaft klingenden Begriffen, deren Entlarvung als Kardinalsünden des Management man sich dann wünscht. Stattdessen bekommt man (bespielhaft unter „Selbstvertrauen“) was ganz anderes, nämlich irres Hüpfen von Christian Baarnard zu Anitiobiotika in Ei und Schnitzel zu Krankenhauskeimen, ohne dass dabei wenigstens ein leiser Zusammenhang zur Kapitelüberschrift bestünde. Aber das macht ja nix! So geht´s polternd und schlecht gelaunt 170 Seiten zu lang (bei 189 gesamt) von der Managementschelte (berechtigt, aber: gähn) zum finalen „hat doch eh alles keinen Sinn mehr, wir sterben aus.“ Bummsti. Mag sein. Wäre doof. Hätte aber immerhin den großen Vorteil, dass wir keine solchen Dampfschwadronen mehr lesen müssen. Da bekommt ja sogar der Weltuntergang plötzlich regelrecht liebliche Züge.
Genauso sinnlos, aber viel, viel schöner sinnlos ist Lewis Dartnells „Handbuch für den Neustart der Welt“. Anders als die praktischen Post-Untergangsanleitungen vom Kaliber (sic) eines James Wesley Rawles, ist Dartnells Anleitung zwar praktisch, zielt aber so weit in die Zukunft, dass man sie im Grunde eingeschweißt zu Familienschmuck legen und vererben kann. Dartnells Prämisse nämlich (es bleiben nur wenige Millionen Menschen übrig) bedeutet in erster Konsequenz, dass die Überlebenden Zeit haben, sich die Fähigkeiten und Fertigkeiten unserer Vorväter wieder beizubringen – und auf dem Weg weder verhungern noch frieren werden, weil sie ja die Heizölspeicher und Vorräte der verreckten Milliarden verheizen resp. aufessen können. Für einen Fünfzigjährigen ist das „Handbuch“ daher von höchstens geringem praktischen Nutzen, selbst wenn er zu den Glücklichen (?) gehören sollte, die den Supervirus überleben.
Dennoch: macht Dartnells Buch Spaß. Denn was er beschreibt, ist nicht weniger als das über Generationen fortgeführte Zusammenwirken kluger Köpfe zum Nutzen des Gesamtschwarms – exemplarisch illustriert von Verbrennungsmotor bis Desinfektionsmittel, von Lebensmittelkonservierung bis Bodenbearbeitung. Und dieser Blick zurück ist durchaus atemberaubend. Bei wem sich da nicht Dankbarkeit und Demut einstellen – mei, dem ist halt auch schon vor dem Supervirus nicht mehr zu helfen.
Zuletzt und sehr konkret: Thom Hartmann hat durchaus gute Gründe, sich festzulegen. 2016 ist Schluß. Danach fangen wir neu an. Seine Bücher sind generell ein Quell der entsetzten Freude (für mich), „2016: The Plot to Destroy America“ setzt diese Reihe nahtlos fort. Bemerkenswert finde ich aber, wenigstens am Rande, auch das von den Amazonen angegebene Erscheinungsdatum des Buches …
Der Preis ist allerdings zu hoch. Bei korrekter Suchangabe wird man durchaus schon für 16,95 € fündig …
Karen Duve: Warum die Sache schiefgeht. Wie Egoisten, Hohlköpfe und Psychopathen uns um die Zukunft bringen (Galiani Berlin September 2014, 192 Seiten, 12,00 €)Lewis Dartnell: Handbuch für den Neustart der Welt. Alles, was man wissen muss, wenn nichts mehr geht (dt. von Thorsten Schmidt, Hanser August 2014, 24.90 €)
Thom Hartmann: The Crash of 2016. The Plot to Destroy America – and What We Can Do to Prevent it. (Twelve, November 2013, 320 S., 16,95 €)
zu Karen Duve: Nimm das Leben nicht so ernst, du überlebst es eh nicht.