Zahlen statt Adjektiven

Ein kurzer Nachtrag in eigener Sache – resp. in Sachen „Prophezeiung“, weil interessierte Frager und Leser mir nun doch irritierend oft eine blühende Phantasie unterstellen resp. mich fragen, aus welcher Fantasy-Erzähler-Hirnkammer ich denn solche verrückten Ideen wie „Wolkenboote“, „Aluminiumschnipsel“, „Schläuche in die Stratosphäre“ oder „Vulkansprengungen“ nehme: Meine Erfindungen beschränken sich auf Story und Charaktere. Wohl wahr – die Interpretation der (tatsächlichen) Klima-Daten durch meine (fiktiven) Wissenschaftler mag nicht durchgehend derzeitige Lehrmeinung sein (insbesondere was die Beteiligung der Sonne an terrestrischen Klimaerscheinungen betrifft), die fixen oder schicken Ideen der Geo-Ingenieure hingegen sind keine Erfindungen meinerseits.

Bei Interesse an Salters Wolkenbooten werfe man z. B. einen ersten Blick hierher (Scientific American) und arbeite sich von dort aus fasziniert vorwärts durchs Netz, der „Schlauch in den Himmel“ und das Hurricane Prevention System waren erstmals 2009 von auch allgemeinerem Interesse (Independent), Nathan Myrhvolds Intellectual Ventures sind sowieso einen Blick wert (Intellectual Ventures), die nukleare Vulkan-Schnapsidee ist nicht nobelpreisverdächtig, aber auch nicht neu (Zeit), und eine kurze, aber treffende Kritik an den ganzen Vorhaben gibt´s exemplarisch hier (Capital) aus ökonomischer Sicht.

Überdies schließe ich mich einer der Literaturempfehlungen meines Protagonisten Beck ausdrücklich und nachdrücklich an. Wer auch nur hauchzart daran interessiert ist, die derzeitige Debatte um „regenerative Energien“ überhaupt zu verstehen und nicht im Ungefähren zwischen Quecksilberbirne und Knut-Stofftier hängen bleiben möchte, der rufe sich – übrigens kostenfrei – David JC MacKays exzellentes Werk Without The Hot Air aus dem Netz herunter (Download). WTHA liefert Zahlen statt Emotionen, allerdings nicht komplexe Formeln aus dem IPCC- oder konkurrierenden NIPCC-Kosmos, sondern Zahlen, die jedermann und jedefrau umgehend begreift. Denn Prof. MacKay – Energiepolitischer Berater der britischen Regierung – macht sich lediglich die Mühe, unseren Energieverbrauch (pro Kopf) festzustellen und den Output unserer derzeitigen Quellen mit dem aus denkbaren zukünftigen Quellen zu vergleichen. Mittels diverser Szenarien, die – wie MacKay fröhlich einräumt -, alle Kostenfragen zunächst einmal außer Acht lassen; denn schon unter Weglassung der Frage nach der wirtschaftlichen Machbarkeit der „grünen Revolution“ sprechen die Zahlen für sich: Wir brauchen nicht nur ein paar wirklich originelle Einfälle aus der Abteilung Research and Development, wir brauchen erst recht ein neues „Mind Set“ – sowie ein neues, damit korrespondierendes Verhalten.

Was ich bedauerlicherweise nicht gefunden habe im Lauf der letzten paar Recherchejahre, ist ein zahlengestützter „Energy Plan for Germany“ (mal abgesehen von Hans-Hermann Scheers interessanter These, wir könnten sehr wohl vollständig  auf regenerative Energien umstellen, wobei sein Vortrag Der Energethische Imperativ allerdings wie die Mehrzahl der Veröffentlichungen zum Thema verflucht zahlenlos daherkommt). Legt man nun allerdings MacKays grundsätzliche Verbrauchszahlen auch für Deutschland zugrunde und berücksichtigt, dass wir im Gegensatz zu unseren britischen Freunden keine nennenswert lange Küste haben, die sich mit Gezeitenkraftwerken bestücken ließe, sowie nicht ausreichend Hoheitsgewässer zum Pflanzen von Hochleistungsspargeln, möchte man doch erst recht wissen, wie diese unsere eigenen Berechnungen aussehen oder aussehen könnten.

Falls also irgendwem der geheime Masterplan aus Norbert Röttgens Schreibtisch in die Hände fällt – bitte nicht nur an Wikileaks mailen, sondern „cc“ an mich.

P.S.: Ich weiß, es gehört sich nicht, Kritik zu kommentieren, erst recht, da man ja an allen Käfigen steht „Die Trolle bitte nicht füttern“, aber das muss ich doch klarstellen dürfen, unbekannter giftiger Leser:

„Zudem etliche naturwissenschaftliche Fehlleistungen des Autors: „Wer Vorhersagen über das Klima der Zukunft machen will, muß das Ende der letzten Eiszeit verstehen, sagt Beck.“ Was hat das Ende der letzten Eiszeit mit dem Klima der Zukunft zu tun ?
Weiß der Autor überhaupt, wie Klima physikalisch definiert wird?“

Dieser Autor? Vermutlich nicht. Aber wenn schon zitiert wird, dann bitte vollständig:

„Wer Vorhersagen über das Klima der Zukunft machen will, muß das Ende der letzten Eiszeit verstehen“, sagte Beck.
Sie nickte und sagte: „Wally Broecker.“
Beck nickte ebenfalls. Anerkennend, weil sie die Bemerkung als Zitat erkannt hatte.“

Und zwar als (zugegeben, berühmtes) Zitat des Thermohaline-Zirkulation-Papstes  Wallace Broecker. Vermutlich kann man auch dem unterstellen, er wüsste nicht, wie Klima physikalisch definiert wird, aber vermutlich nicht vom zirka hundert Meter hohen Sofakartoffelross.

Literatur:
David JC MacKay: Sustainable Energy – Without the Hot Air (Uit Cambridge, 384 S., ab ca. 35 Euro) oder online (free): http://www.withouthotair.com/download.html
Hans-Hermann Scheer: Der Energethische Imperativ 100% jetzt – wie der vollständige Wechsel zu erneuerbaren Energien zu realisieren ist. (Kunstmann 2010, 224 S., 19.90 €)
Wallace Broecker / Robert Kunzig: Fixing Climate. The Story of Climate Science – and How to Stop Global Warming. Profile Books, 2009, 288 S., um 11 €)
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