Dass einem bei Paul Schreyers Rundgang durch die Gebäude der Geldregierung gelegentlich dezent schwindlig wird, liegt nicht am eloquenten Reiseführer, sondern an der präsentierten Architektur: In einem so komplexen mehrstöckigen Spiegelpalast verliert der Besucher eben doch gelegentlich die Orientierung. Oder steht auch mal mit einem Fuß im luftleeren Raum, erschrocken, wahlweise fassungslos.
Die eleganten 192 Seiten „Wer regiert das Geld“ ließen sich indes unzulässig verkürzen auf den konstatierenden Kern, dass wir tatsächlich nichts mehr zu melden haben – und „wir“ meint eben nicht „du und ich“, sondern „du und ich und all unsere Vertreter“. Diese längst gefühlte Wahrheit belegt Schreyer eindrucksvoll, macht aber nicht den bei anderen Kritikern beliebten Fehler, Geld, Geldschöpfung, Kredite und Schulden per se zum Teufelswerk zu erklären, sondern schildert den jahrhundertelangen Kampf um das Recht zur Geldschöpfung ungetrübt von ideologisch eingefärbten Brillen.
Stehen bleibt der besorgniserregend schön gebaute Spiegelpalast. Und wer genau hinschaut resp. –liest, findet endlich sogar die Antwort auf die Frage, weshalb die nie gewählten Herren und Damen der Welt (von IWF bis Fed) so ungeheuer selbstsicher auftreten und Mofafahrern wie Varoufakis nicht mal zuhören. Mir jedenfalls war zwar bewusst gewesen, dass unsere Banken permanent Geld aus dem Nichts erzeugen, nicht aber vollständig klar war mir bis zur Lektüre von Schreyers Kapitel 3 gewesen, dass die Banken a) sich mittels Staatsanleihen allwöchentlich risikolos steuerfinanzieren und b), wichtiger, längst auch alle weltweiten Bilanzierungsregeln selbst festlegen. Und was nur nach einem Glasbaustein aussieht, ist de fato das Fundament, auf dem der ganze Palast bombenfest steht: nach Lage der Dinge droht den Banken nämlich tatsächlich nicht mehr die geringste Gefahr. Jedenfalls nicht von „dir und mir und allen, die wir wählen können“.
P.S.: Neben der Erhellung hat die Lektüre einen weiteren angenehmen Effekt, jedenfalls für mich: Zum ersten Mal in meinem Leben bin ich froh, dass sich auf meinem Girokonto kein „Geld“ befindet. (Gut, zugegeben, noch froher wäre ich natürlich, wenn ich anderes Geld hätte, also sogar echtes, aber man kann ja nun wirklich nicht alles haben).
Paul Schreyer: Wer regiert das Geld? – Banken, Demokratie und Täuschung (Westend 2016, 220 S., 16.99 €)