Don´t panic. Gehen Sie weiter, hier gibt´s nichts zu sehen, alles ist gut. Jörg Schindlers neues Buch sollte sich prächtig verkaufen, denn genau das – Panikmache: Wie wir vor lauter Angst unser Leben verpassen – will der mental frühpensionierte Spiegel-Leser natürlich hören und lesen: Es gibt überhaupt keinen Grund, sich Sorgen zu machen – geschweige denn, irgendwas zu ändern am eigenen Verhalten oder gar unserem kollektiven. Die Renten sind sicher. Die deutsche Bank ist gesund. Auf der AIDA ist für alle Platz.
Alles andere ist Panikmache. Und das lässt sich brillant belegen, mit knallhart recherchierten Zahlen. So rechnet der Fachmann (= Spiegel-Terrorismusexperte) gleich vorneweg exemplarisch vor, wie lächerlich unbegründet die Angst vor Einbrechern ist: „100.000 Einbrüche, bei rund 40 Millionen Haushalten in Deutschland heißt das: In eine von 400.000 Wohnungen drangen in diesem Jahr Diebe ein.“
Stimmt, nickt Dr. Lieschen Müller zufrieden, das ist albern. Nachrechnen erübrigt sich, schließlich ist der Autor vom Fach. Nur Spaßbremsen und andere Ameisenfriseure würden hier grob überschlagen „eine Wohnung von 400.000 = 2 von 800.000 = 2,5 von 1 Million x 40 = 100 … Cool, wir hatten letztes Jahr nur 100 Einbrüche in Deutschland …! Nee, Augenblick, ach so … In eine von 400 Wohnungen wurde eingebrochen? Damn! Das wäre ja gar nicht mehr so ne beruhigende Zahl …“)
Derart absurdes Falschrechnen ist indes nur die schillernde Spitze des Eisberges, denn Schindler ist wahrlich jedes Mittel recht, um sein williges Publikum weiter im künstlichen Tiefschlaf zu halten. Was insofern ärgerlich ist, als „Panik“ ja tatsächlich unangebracht wäre (denn uns geht es fraglos vergleichsweise gut), Schindler indes das Nichtstun und Allesknorkefinden zur einzig wahren Bürgertugend erhebt und suggestiv jeden in die „Kommunistischer-Nazi-Querulant“-Box stopft, der sich Sorgen um die Zukunft macht. Und obwohl ich von Autoren des stramm neoliberalen und renditeorientierten Spiegel nichts anderes erwarte, finde ich das doch einen Hauch armselig.
Also: Nichts gegen geschickte Propaganda. Aber wenn einem die Fans schon begeistert amazon-Sterne schenken, weil sie nicht mal mehr grobes Schummeln beim Kopfrechnen mitbekommen, dann wird´s einem doch arg bang ums Hirn.