Ungeheuer putzig iSv doof finde ich ja die Lieschen-Müller-Dialektik derer, die mich in Foren dissen, weil ich Dinge wie das Übernehmen von „Eigenverantwortung“ anrege – denn darauf lässt sich ja hervorragend schnauzen: „Willst du damit sagen, dass ich selbst SCHULD bin an meiner Krankheit!? So ne SAUEREI! Schwarze Psychosomatik! Hört nicht auf diesen TEUFELSGURU!“
Jaja. Neenee. Schuld ist sowieso keiner. Schon gar nicht an seiner besonderen Erkrankung, seiner Augenfarbe, seiner Körpergröße oder seinem Geburtsort. Gut, sollte wer im Selbstgespräch denken, „Hm, vielleicht hätte ich doch weniger als 3 Flaschen Chianti pro Abend austrinken sollen“, kann und sollte er/sie das ja gepflegt mit sich selbst ausmachen, dazu braucht man doch keinen Arzt oder Apotheker oder Rüdiger Dahlke. Aber selbst wenn man sich selbst eine klitzekleine Beteiligung am Entstehen der eigenen Fettleber attestiert, nützt einem ja der Rückblick wenig, denn unsere Zeitmaschinen stehen ja alle in irgendwelchen Garagen im Jahr 2052, so kommen wir also nicht weiter. Jedenfalls nicht zurück.
Der Pöbler von oben wirft allerdings Verantwortung und Schuld in einen Topf. Mag sein, dass das der generellen Lust am Vereinfachen geschuldet ist (Eins oder Null, Daumen hoch oder runter, Schwarz oder Weiß, Bett oder Ofen*), nur: Wer so was macht, lenkt von sich selbst ab und schlussfolgert buttermesserscharf: Da ich ja wohl nicht schuld /verantwortlich bin für das Zurückliegende, bin ich auch nicht schuld/verantwortlich für das Kommende.
Das ist, im Leben wie im Kranksein, ein gefährlicher, deprimierender, feiger Irrtum. Dass ich geraucht habe und so das Entstehen meiner Erkrankung möglicherweise begünstigt habe (oder auch nicht), ist meine Schuld (oder auch nicht). Dass ich weiterhin rauche, ist verantwortungslos: mir selbst gegenüber.
Dass hierzulande alles so gewaltig schiefgelaufen ist, dass unsere Kinder völlig zurecht Freitags auf die Barrikaden gehen, ist meine Schuld (oder auch nicht). Dass ich nicht reagiere und die Weichen so stelle, dass die Demonstrierenden eine Überlebenschance haben, ist verantwortungslos (heute): anderen gegenüber. Und dass man mich dafür zur Verantwortung ziehen wird, geschieht zurecht (morgen).
Will sagen, Discount-Dialektik-Pöbler von oben: Das geht ganz gewaltig schief, nicht nur im egozentrischen Kranksein. Aber mach nur so weiter, dein beruflicher Babyboomer-Feierabend in zehn Jahren fällt ja nur zufällig mit dem Tag zusammen, an dem die Folgen der Erwärmung unumkehrbar eintreten, und gleichzeitig möchtest du Kinderloser von meinen Kindern zirka 32% ihres Einkommens als Monatsbeitrag für deine Altersrente.
Das wird garantiert ne witzige Diskussion. Sag dann aber nicht, das wär ja wohl alles nicht deine Schuld gewesen. Glaub mir, auf dem Ohr sind meine Kinder taub (das ist keine klinische Diagnose, sondern bloß die angemessene Reaktion auf unseren kollektiven Haltungsschaden.)
* Na, wer schreibt in den Kommentar, „Das ist ein Zitat aus dem Film „…“?)