Beginnen wir zufällig mit „Jauche im Blut“, dem Kapitel V – einem Referat über die Verseuchung der Gewässer und die Folgen in Form von tödlichen tierischen Darmbakterien mitten in der Nahrungskette. Danach schreiten wir dann in der vom Autor gewünschten Reihenfolge von vorn bis hinten durch die knapp 500 Seiten und lauschen den Vorträgen der zuständigen Hilfsteufel aus den Dezernaten Fortschritt, Versteppung, Verpestung, Verseuchung, Feinkostvergiftung, Zerstörung der Arbeitsmoral durch Automation, gönnen uns die Erfolgsbilanzen des Medizinteufels und des Atomteufels …
Das drum herum gestrickte „Format“ ist schlicht, aber hübsch: Vier Menschen, mehr oder weniger zufällig ausgewählt, müssen sich diese gesammelten Schauerbilanzen der satanischen Abteilungsleiter vom „Boss“ anhören, hoch über den sterblichen Dingen in seinem Wolkenkratzer aus Glas und Stahl; die Analyse ist treffend und mit Unmengen Zahlen angereichert, aber am allerbemerkenswertesten ist, dass das hiermit angepriesene hellsichtige Buch nicht direkt aus dem Frühjahrsprogramm 2011 der deutschen Verlage stammt, sondern von 1958.
Es heißt: Der Tanz mit dem Teufel – ein abenteuerliches Interview*, und geschrieben hat´s Günther Schwab, ein fleißiger Förster und Journalist, geboren in Prag, gelebt und gestorben in Österreich. Beeindruckend ist das Werk nicht nur, aber durchaus auch wegen der akribischen Dokumentation (ich erspare mir den Hinweis, dass so etwas in Zeiten vor Textverarbeitung, Google und Wiki eine echte Herkulesaufgabe war), erst recht aber ist das Ganze erschütternd.
Was haben unsere Eltern eigentlich 1958 gemacht? DSDS gekuckt? Oder vor lauter Blättern im Otto-Katalog nicht mitgekriegt, dass eine der bloß 4.000 Neuerscheinungen des Jahres 1958 ihnen vollrohr an den Nierentisch hätte gehen müssen?
Bloß nicht drüber nachdenken. Denn diese Vollpfosten kann man ja nicht mal enterben, geschweige denn ihnen die Leviten lesen. Da sei das andere dicke Buch vor; um Haaresbreite …
Günther Schwab, Der Tanz mit dem Teufel – ein abenteuerliches Interview. Sponholz 1958/1991, 492 S., 14.90 € (TB); meine frische antiquarische Ausgabe sieht aber eindeutig besser aus … * Wie oder wieso ich, bitte, über so was stolpere? Mei. Manchmal hat diese ganze fiese KI ja auch Vorteile, zum Beispiel dann, wenn man in einem neugierigen Moment bei den Amazonen nachschaut, wie denn das eigene neue Buch und die frischen Bücher der geschätzten Freunde und Verwandten so dastehen, in den Charts. Da schlägt dann nämlich der smarte Rechner nach Eingabe der als Öko-Thriller getaggten „Prophezeiung“ sowie von Jens Böttchers neuem und exzellentem Interview mit dem Teufel – eben: Günther Schwab vor. Und da könnt´ man dann doch glatt seinen Frieden mit dieser ganzen Totalerfassung machen, stundenlang.