Gut, dass es Business Punk 1994 noch nicht gab, sonst hätte Cobain sich vermutlich deswegen erschossen. (Insider sortieren noch mal eben in „Wal im Netz“ (1997) die Buchstaben des Bandleaders von XXL Asylum um). Jedenfalls ist das supercool. Oder Huxley. Business Punk. Mwuahaha. Muss man bringen. Und dann hoffen, dass da draußen wenigstens 20.000 Leute rumlaufen, die das witzig finden, weil „hey, klar, work hard, play hard – Alda, wenn dat nicht punk ist, wat denn dann? Sid Vicious hat auch hard geplayt und geworkt, um ordentlich Kohle zu machen, das weiß ja wohl jeder. Und ich bin voll der Punk, weil, mein Anzug is von H&M, und auf meinen Socken steht vorn „R/L“, und ich trag die absichtlich falsch rum! Im Schuh! Anarchy in the UK Size 9!“
Gedruckt werden vom Business Punk meines Wissens 35.000 Stück – läuft also mit der Kundschaft aus der Lobotomie-Abteilung. Aber wieso erwähne ich das überhaupt? Ach so, weil: Ich das gekauft habe. Am Flughafen. Ausgabe 6/2018. Weil ich Erzähler bin und in Storys sehr grundsätzlich eine Waffe sehe, zum Guten wie zum Schlechten einsetzbar. Und weil laut Punky-Business-Inhaltsverzeichnis ein Storytellingprofi Auskunft gibt, nämlich Markus Gull. Der (Interview-)Text ist überschrieben mit „Wer lügt, kommt in die Hölle“ (augenzwinker, cool, kaugummikau, ironisch, nä?), Gull nennt sich „Story Dude“ und berät „Unternehmen rund um die Themen Brand- und Entertainment-Stories“. Seine vorgetragene Überzeugung lässt sich tatsächlich kurz zusammenfassen: Authentizität ist King. Ganz gleich, was wir verkaufen wollen, der Weg zum Börsenerfolg führt durch die Herzen. Einen persönlichen Wert vermitteln. Um diesen Wert herum eine Story entwickeln. Und immer ehrlich sein. Geht sonst schief.
Vermutlich glaubt Gull sich das selbst. Lügen darf man nicht. Das merken die Leute ja. Und dann kaufen sie einem nichts ab. Keine Dieselautos. Keine Smartphones. Keine Politik. Keinen Afghanistan-Einmarsch. So sieht´s aus. In der Welt von Business Punk.
Der Punk ist (hier hat der Korrektor gepennt): Tatsächlich funktioniert die ganze Welt inklusive Wahrnehmung über Stories – solche, die man uns erzählt und jene eine, die wir uns über uns selbst erzählen. Gull hat also in so fern recht, als wir (Hedonisten, Egoisten, alle „entitled“) spüren, wenn jemand lügt und uns hinter seinem Claim oder seinen bunten Einladungen gar keinen weiteren glasklaren Alles-Meins-Lustgewinn verspricht, sondern irgendwas Differenzierteres. Sprich: ob eine kleine Story („Just do ist“, „Geiz ist geil“, „Weil ich es mir wert bin“) uns berührt oder nicht, hängt von unserer großen Story ab, jener, die uns grundsätzlich und wesentlich ist – unserem Bild von uns selbst und unserer ausgesprochenen oder unausgesprochenen Vorstellung davon, wozu wir hier sind, was „man“ tun oder lieber lässt, und welchen Sinn das Ganze wieso hat.
Der Business Punk verschweigt das natürlich, und man kann es ihm nicht vorwerfen. Er will ja nur verkaufen, nicht Erkenntnis befördern oder die Welt verbessern oder seinem ewigen Spießer-Publikum beim Pogotanzen mit dem Arsch ins Gesicht springen, wahlweise sehr, sehr laut Gitarre spielen und mit variablen Lyrics mitteilen: „Hört doch einfach mal auf, 24/7 komplett stumpf und link zu sein, das wäre doch mal ein Anfang.“
Ich glaube, Kurt hätten die beim Business Punk nicht mal als Fahrradkurier eingestellt. (Und Sid Vicious nur vielleicht, aber garantiert nicht vor dem 3. Februar 1979).