Tja. Viel besprochen und von den Kollegen gelobt: Katja Kullmann, studierte Freelancerin im Hochglanzschungel, Bestseller (?)-Autorin mit einer Schrift über den Zeitgeist und anderer Leute Kunst (Generation Ally), vorübergehende HartzIV-Empfängerin nach dem Abbröckeln des Kurzruhms – und jetzt, mit 40 und den Memoiren, Teil 1, wieder in aller Munde. So weit, so meinetwegen. Aber was will sie uns oder z. B. mir, der ich bloß ein paar Jahre älter bin als sie und im weitesten Sinn in der gleichen Branche unterwegs, jetzt damit sagen, mit ihrem Echtleben? Dass man als KünstlerIn, als AutorIn scheitern kann – sogar ohne Kinder, ohne Scheidung und ohne schwere Krankheit? Dass man einfach so scheitern kann, wegen „weiß auch nicht“, „hab ich nie drüber nachgedacht“ oder „eigentlich kann ich auch gar nichts besonders gut“, scheitern als zum Beispiel – Katja Kullmann? Oder wollte sie nur festhalten, dass unsere Künstler und Autoren von Jahr zu Jahr schlechter bezahlt werden? (Könnte das daran liegen, dass inzwischen jeder Künstler, Autor, Leser-Reporter und Twitterblogger ist – und dass die Nachfrage einfach nicht Schritt halten kann? Und könnte man darüber nicht sogar mal … nachdenken? Oder etwas schreiben?)
Kullmanns Buch ist sehr persönlich. Und legt persönlich Zeugnis ab vom Beliebigen, Austauschbaren. Schreiben kann sie, ohne Frage – aber was noch? Sympathisierend, aber hilflos lese ich diesen 250-Seiten-Bericht und frage mich bis zum Ende: wozu eigentlich? Nur um bestätigt zu finden: Autoren von diesem Kaliber gab es schon immer, und sie hatten es immer schwer?
Was vollständig fehlt ist ein Blick über den Tellerrand, über das laute Ich hinaus. Eine Analyse, wenigstens eine Mutmaßung, eine Ahnung, was geschieht, weshalb es geschieht, was ggf. sogar wie zu ändern wäre; eine Haltung, in der Tat, nicht zum Ego, sondern zum Ganzen. Aber auch das steht ja drauf, im Untertitel: Warum es heute so kompliziert ist, eine Haltung zu haben. Warum es für Kullmann schwer ist, erschließt sich jedenfalls erschöpfend, und tatsächlich sucht man auf den 250 Seiten bis zuletzt jegliche Haltung zu irgendwas vergeblich.
(Kaufen wollen wir das Buch trotzdem. Denn Kullmann soll ja nicht verhungern, und Eichborn erst recht nicht. Und solange wir außer der Krücke Flattr (check: hier) keine Idee entwickelt haben, wir wir unsere Künstler retten können, geht´s ja weiterhin nur so: qua 10% vom Ladenpreis als Life Support.)
Katja Kullmann / Echtleben – Warum es heute so kompliziert ist, eine Haltung zu haben. Eichborn 2011, 255 Seiten, 17.99 €