Als Buckminster Fuller 1969 seinen auch heute noch überaus lesenswerten Essay Bedienungsleitung für das Raumschiff Erde vorlegte und am Rande der Metapher konstatierte, eben diese Bedienungsanleitung sei nicht mit geliefert worden, mithin der Mensch seit jeher ein Autodidakt im All, klang immerhin noch leise Hoffnung mit – Hoffnung auf die Phantasie von Architekten und Designern, Hoffnung auf ein Ende der alles vernichtenden Expertokratie. Davon ist nicht allzu viel geblieben, das Raumschiff steuert mit immer höherem Tempo auf eine multiple Katastrophe zu, und Peter Sloterdijk fand in seiner Rede anlässlich des Kopenhagener Klimagipfels 2009 eben hierfür die richtige Metapher: „Der Umgang der Menschen mit ihrem Planeten gleicht dann einem Katastrophenfilm, in dem rivalisierende Mafiabanden sich an Bord eines Flugzeuges in 12.000 Meter Höhe ein Gefecht mit großkalibrigen Waffen liefern.“
Dass Sloterdijk dieser Metapher einen fast esoterisch anmutenden Hoffnungsschimmer folgen ließ, nämlich die Aussicht auf qua Wissenschaft erzielte Effekte, die „einer Multiplikation der Erde gleichkommen“, war wohl dem Publikum geschuldet, denn man will ja als zur Klimakonferenz geladener Philosoph nicht ausschließlich schlechte Laune verbreiten. Jenseits dieser Höflichkeiten aber blieb Sloterdijk erfrischend deutlich: selbst wenn die Götter Hirn vom Himmel regnen ließen und wir einsähen, dass unser Verhalten uns umbringt, würden wir es nicht ändern – Verzicht liegt einfach nicht in unserer Natur, dafür aber ist dort, nach nun schon Hunderten von erfolgreich zivilisierten Jahren, die längst von der Wirklichkeit überholte Vorstellung von, „Wachstum“ als Allheilmittel felsenfest verwurzelt, besser gesagt: zementiert.
Die unlängst von Suhrkamp in der edition unseld herausgegebene Essaysammlung Das Raumschiff Erde hat keinen Notausgang umfasst neben der Rede Sloterdijks Texte von Paul J. Crutzen, Mike Davis sowie Michael D. Mastrandrea und Stephen H. Schneider. Letztgenannte fassen den besorgniserregenden Zustand des Raumschiffs in auch für Laien verständlichen (und nur gelegentlich vereinfachenden) Worten prägnant zusammen, Davis wagt ein im guten Wortsinn sozialistisches Plädoyer, und Crutzen erklärt dankenswerterweise zum xten Mal, in welcher Form die Auswirkungen unseres Handels im „Anthropozän“ eskaliert sind – und weiter ungebremst eskalieren.
Sloterdijks versöhnliches Schlusswort kurz vor der Eröffnung des Klima-Buffets macht indes wenig Hoffnung, aller Klarheit zum Trotz: „Sollte die große Autodidaktik so weit kommen, die Emissionen der Ignoranz in Grenzen zu halten: Es könnte dies nur geschehen dank der intellektuellen Integrität all derer, die heute die Verantwortung für ihr positives Wissen und ihre dunklen Prognosen übernehmen.“
Viel verlangt. Oder, mit dem Philosophen House gesprochen, „Hope is for sissies“. Dennoch: setzen wir Astronauten unverdrossen unsere rosaroten Schutzbrillen auf, mangels Alternativen, und konstatieren trotzig: Der Ausgang ist offen.
Buckminster Fuller: Bedienungsanleitung für das Raumschiff Erde und andere Schriften, Philo Fine Arts 1998, 318 S., 18 €. Paul Crutzen u. a.: Das Raumschiff Erde hat keinen Notausgang, edition unseld 2011, 120 S., 10 €.