Bücher sind viel zu billig. Sprach gestern Wolfgang Falk, dtv-Chef, aus der FAZ, und hat recht. Dem gemeinen Leser wird das aber erstens egal sein und zweitens am Arsch vorbei gehen, denn der gemeine Leser will ja nur: lesen. Und das, selbstredend, möglichst günstig. Drum wartet er ja auch auf die Romantaschenbuchausgabe für 9,99 €, weil ihm ein Hardcover zum verlegerischen Selbstmord-Kampfpreis von 19,90 € zu teuer ist. Immerhin: für 19,90 kriegt man ja schon … mindestens … anderthalb Autowäschen (mit Hartwachs). Oder 1 Kilo Bio-Kaffee.
Die Buchbranche sieht derzeit ihre Felle sacht davonschwimmen, die Umsätze gehen zurück, und wer nicht wenigstens einen Massenseller vom Schlage Roche, Sarrazin oder Larsson per anno raushaut, der krebst wild druckend am Rande der Insolvenz vor sich hin. Was natürlich schlecht ist. Was auch und vor allem daran liegt, dass die Buchpreise seit 50 Jahren nicht gestiegen sind. Im Gegensatz zu allen anderen Preisen, Löhnen und Gehältern.
Der gemeine Leser empfindet jetzt gefälligst Mitleid. Mit den Verlagen. Was der gemeine Leser aber mangels Interesse (sowie mangels geeigneter Lobby-Kommunikationsmöglichkeiten der Autoren) überhaupt nicht auf dem Schirm hat, ist, dass die eigentlichen Leidtragenden der allgemeinen Preispolitik die Autoren sind. Jedenfalls die paar Autoren, die keine Bestseller schreiben.
Reflexartig zuckt man die Achseln und denkt sich, „Ja, pfff, wer keine Leser hat, der kann vom Schreiben halt auch nicht leben“, aber daraus wird kein Schuh. Denn einer, der sagenwirmal 5.000 Leser hat, sollte ja durchaus vom Schreiben leben können. 5.000 Menschen, denen Autors erzählte Geschichte 10 oder gar 20 Euro wert ist, das sind doch immerhin 50-100.000 Euro Einnahmen, und damit kann man ja durchaus klarkommen als normaler Durchschnittsfamilienvater.
Seltsamerweise kommt der gemeine Leser aber gar nicht auf die Idee, ein erfolgreicher Autor (mit 5.000 Lesern) müsse von den 50-100.000 Reinerlös mehr als eine kleine Vermittlungsgebühr an den Verlag abtreten. Und sobald dann gar einer einen kleinen „Bestseller“ vorlegt (wie jüngst mein alter Freund Bröckers), sprich: 20 oder 30tausend Bücher zum Preis von 16,99 € verkauft, tauscht sich der Beobachter in Leseratten-Foren mit Gleichgesinnten aus, wegen der „goldenen Nase“, die sich der Autor nun wohl verdient.
Drum. Für die Akte: Die kleine „Vermittlungsgebühr“, die Autoren an Ihre Verlage und Zwischenhändler entrichten, beträgt 95% des Verkaufspreises. Beim Taschenbuch. Beim Hardcover sind´s nur 90%. Sprich: von den 9,99 €, die der Buchhändler vom Leser kassiert, kommen beim Autor an: 50 Cent. Ein beliebter Autor, der ein einsames Arbeitsjahr mit dem Anfertigen eines schönen langen Textes für 5.000 Leser verbringt, kommt so auf eine Jahreseinnahme von nicht ganz 50.000 Euro, sondern: 2.500 €.
Die goldene Nase des Bestsellerautors sieht auch nicht so viel glänzender aus, denn wer 20.000 Hardcover-Kopien seines beliebten Textes zum Preis von 16,99 € unters Volk bringt, erhält dafür nicht etwa 340.000 €, sondern etwa 34.000 €. Immerhin: der Bestsellerautor könnte sich davon eine gediegene 2-Zimmer-Mietwohnung leisten. Zum Beispiel in Braunschweig. Sofern er keine Kinder hat.
Sein von immerhin 5.000 Menschen gern gelesener Kollege hingegen wird mit seinem Honorar von 2.500 € im Jahr nicht ganz so weit kommen. Sondern muss bei seiner Mutter wohnen bleiben.
Deshalb hat Herr Falk recht: Bücher sind viel zu billig. Taschenbücher müssen mindestens 15-20 Euro kosten, Hardcover mindestens 40. Verteilen wir die zusätzlichen Einnahmen zu 90% in Richtung der Autoren und zu 10% in Richtung der Verlage, ist ein erster zarter Schritt in Richtung Existenzminimumsicherung für beliebte Schreiber gemacht. Den Rest finden wir dann auf dem Weg heraus.
Wie, Wunschdenken? Klar, was denn sonst? Aber die Verlage fragen sich ja zu Recht, wohin ihr Weg führen soll. Sofern sie bei ihrem Geschäftsmodell bleiben und nur Autoren eine Heimat bieten, die bei Mutti wohnen oder das Schreiben als Hobby neben der Beamtenlaufbahn betreiben, vermutlich ins Nichts. Denn am Horizont lauert eine schreckliche Gefahr: Die Autoren könnten sich nach der nächsten Einkürzungsrunde auf 3,5% vom noch einmal gedumpten Saturn-Verkaufspreis verhungernd abwenden – und via Kindle in Kombination mit einem Book-on-demand-Deal direkt an ihre 5.000 Leser. Womit die meisten wohl finanziell deutlich besser dastünden (sofern, eben, sie überhaupt Leser haben, die sie schätzen; aber falls sie so was gar nicht haben, nämlich Leser, nützt ihnen ja auch ein Verlag nichts).
Immerhin: es herrscht auf ganzer Linie alarmierte Einigkeit zwischen Autoren und Verlegern: Bücher sind viel zu billig.
Aus diesem Text ziehe ich einen anderen Schluss: Verlage sind viel zu teuer!
Höhere Buchpreise lösen das Problem nicht, im Gegenteil. Aber Autoren, die ihre Publikationen nicht bloss als Freizeitbeschäftigung sehen, sollten andere Vertriebswege in Erwägung ziehen und gerade auch von neuen digitalen Möglichkeiten profitieren.
Höhere Buchpreise hingegen würden zu noch weniger Absatz führen. Und ja, Autoren haben keinen Anspruch darauf, von ihren Publikationen leben zu können. Leider gibt es in allen kreativen Bereichen viel mehr geschaffene Werke als sich absetzen lassen …
Pingback: Goldene Nasen : Mathias Broeckers