(Die gestrigen öffentlichen und privaten Postfach-Kommentare zu meinen Buchpreis-Anmerkungen verkürzt zusammenfassend:) „Die Verlage und der Buchhandel verdienen zu viel!“ Echt?
Weil die Verlage vom Erlös eines 10-Euro-Taschenbuchs 4 Euro behalten? Weil die Buchhändler von jedem 10 Euro-Buch weitere 4 Euro behalten? Herrgott, von irgendwas müssen die doch auch leben, all diese fleißigen Werker. Die in den Verlagen, die ihre Autoren betreuen, Bücher gestalten und drucken lassen, Anzeigen schalten – da bleibt doch bei einem 5.000 mal verkauften Taschenbuch kaum was hängen für den Gewerbesteuereintreiber, das schnallt schon meine Achtjährige per Überschlagsrechnung. 50.000 Einnahme minus 7% Mwst, Herstellungskosten, Vertrieb, anteilige Lohn-, Lohnneben- und Sozialversicherungskosten für die Angestellten, die das Buch lektorieren, korrigieren, setzen – und die nebenher auch noch ein paar andere Dinge tun, zum Beispiel viele miese Manuskripte anlesen und Ablehnungen in Umschläge stecken; Druckereien, Autos zum Ausliefern, Anzeigen, die getextet und gestaltet werden wollen …
Und meine Buchhändlerin, die soll pro verkauftem Taschenbuch keine 4 Euro kriegen? Wovon soll die denn leben? Die Gute heißt doch nicht mit Nachnamen Amazon – und verkauft im Monat mit Glück 300 von diesen Billig-Büchern, und dazu noch mal 100 Hardcover.
Soll sie sich doch gehackt legen? Beratung beim Buchkauf braucht doch eh keiner mehr? Und Lektoren auch nicht?
Himmel. Nein, nicht die „gierigen“ Verlage und Buchhändler (außer den großen gierigen) sind das Problem. Bücher. Sind. Zu. Billig.
Nun könnt man natürlich weiter die Achseln zucken als Konsument und sich selbst sowie den Autoren sagen, „Gut, dann lasst das halt mit dem Schreiben. Oder bezahlt es selbst. Sucht euch einen anständigen Job und schreibt in der Freizeit.“ Dabei allerdings kommt dann halt auch nur Freizeitliteratur heraus, entsprechend einem von mir in meiner Freizeit restaurierten Jaguar E-Type, vulgo: so läuft das nicht, jedenfalls nicht mit Qualität.
Aber gut. Aber: mei. Schreiben kann ja eh jeder. Lernt man doch in der Schule. Ist doch keine Kunst. Haken dahinter, weiter im Text.
Man könnt ja statt dessen … Popstar werden. Oder Filme drehen. Gut, ich hab das Gegenargument klingelnd im Kopf, schon klar: Es gibt viel zu viele „Künstler“, und wir können nicht alle davon leben, dass wir uns gegenseitig beim Singen filmen. Klingt cool und wahr, ist aber doch nur wieder nothing but half the truth. Denn gerade unter den wirklich originellen singenden und bildnernden Künstlern sind etliche, die vom Hörer, Leser oder kuckenden Sonstwiekonsumenten nicht nur schlecht bezahlt werden, sondern gar nicht.
Jaron Lanier, Netz-Urgestein und garantiert kein Neo-Luddist, hat schon vor Jahren völlig zurecht darauf hingewiesen, dass Youtube und Co. sämtlichen Künstlern den Garaus machen. Denn es werden ja nicht nur die jungen Talente, die dort ausstellen, um bekannt zu werden, nicht honoriert – das Angebot an umsonst zu konsumierender Kreativität zertrümmert auch den gesamten Markt für jene Künstler, die dafür bezahlt werden müssen, dass sie arbeiten.
Wie sich das lösen lässt? Recht simpel. Wir zwacken einfach 8 Euro monatlich von der GEZ-Gebühr ab und verteilen die um. Nämlich an die Künstler. „Flattr“ macht das ja schon vor, allerdings setzt der Dienst a) auf Freiwilligkeit und will b) selbst Geld verdienen, was sich in diesem noblen Volkskunstversorgungszusammenhang verbietet. Drum: Jeder deutsche Steuerpflichtige zahlt ab heute 100 Euro p.a. als „Künstlergroschen“, die Kohle wird automatisch monatlich abgebucht, im Rahmen der Sozialabgaben. Dafür kriegt aber auch jeder Steuerpflichtige ein modifiziertes „Flattr“-Konto, sprich, so oft er irgendwas im Netz sieht, hört oder liest, was ihm gefällt, belohnt er das per Klick auf das entsprechende Gefällt-mir-Simpelkästchen mit einem, zwei oder zehn Punkten im Gegenwert von meinetwegen 10 Cent. Und zwar solange, bis sein 100-Euro-Konto leer ist. Dann gibt´s erst im nächsten Januar wieder was für die coolen Künstler. Nicht persönlich vergebene Guthaben gehen direkt in den großen Künstlereimer, bei dem jeder Mitglied werden kann, der Kunst veröffentlich, so kommt der Rest des Geldes unter die guten Leute. Damit wir uns nicht missverstehen: Wir reden hier über bummelig 25 Millionen Erwerbstätige x 100 Euro, also ein jährliches Kunstförderungsprogramm von 2,5 Milliarden Euro. Zum pro-deutsche-Nase-Monatsabopreis von 8 Euro 50! (Wie, ich kann nicht rechnen? Kann sein, aber die Details kriegt garantiert mein Buchhalter raus, wenn ich erst das Kultusministerium übernommen hab. Wie, es gibt gar kein Kultusministerium?)
Und noch mal wie: das ist ja ne zweite GEZ? Ja! Und zwar eine zeitgemäße! Das muss doch mal aufhören, Kinder, euer komplett verstrahltes „Ich will aber immer alles billig, und die Kunst, die Kreativität und die nicht so ganz massentaugliche Unterhaltung, die ich so liebe, die will ich umsonst!“ Das ist Zechprellerei als Volkssport. Ihr geht doch auch nicht über den Wochenmarkt und esst da alles auf, ohne zu zahlen.