Der Reihe nach. Zunächst mal mit jüngst Bernd Neumann, unserem Kultusmedienminister: „Debatten um das geistige Eigentum werden allzu häufig abstrakt geführt. Viel wird über das Urheberrecht gesprochen, meines Erachtens viel zu wenig über die Urheber selbst – dabei geht es um Menschen, die von ihrer kreativen Arbeit leben müssen. Was manche mit einem verharmlosenden Unterton als ´Internetpiraterie´ abtun, betrifft im Kern das Schicksal von hunderttausenden Kreativen! Kreative Arbeit ist keine Freizeitbeschäftigung, sondern der Broterwerb für bildende Künstler und Künstlerinnen, Orchestermusiker, Komponisten, Kameraleute, Regisseure, Cutter, Schauspieler, Journalisten, Schriftsteller, Übersetzer, Designer, Fotografen und viele mehr.“
Recht hat er. Und so kommt im Künstlerherzen regelrecht Hoffnung auf, wenn SPIEGEL-Medien-Autor Niggemeier sich des Themas „Raubkopie“ frisch zweiseitenlang annimmt und Neumann gar zitiert, fast gleichlautend mit s. o. und der ministerialen Klarstellung: „Für mich steht (…) der Schutz des geistigen Eigentums als Existenzgrundlage aller Wertschöpfer an oberster Stelle. Und ich lasse das nicht ausspielen gegen irgendein diffuses Nutzerrecht.“
Prima. Endlich Schluss mit der Piratenromantik, die ja bloß „Freibier für alle!“ meint, auf Kosten der Künstler. Da kann der (feste freie) Journalist ja nur zustimmen und eine dicke Lanze brechen für die Künstlerkollegen … Müsste. Denn sein Kommentar zum Neumann-Zitat ist wegweisend dieser: „Es ist bezeichnend, dass diejenigen, deren Interessen hier also ganz an den Rand gewischt werden, die sind, die man eigentlich im Zentrum vermuten sollte“: die Künstler.
Nee. Falsch. Niggemeier schreibt nach dem Doppelpunkt: „Das Publikum, die Kunden.“
Oh. Aha. Oho. Echt? Der Rest des Artikels ist wohlfeiles Industriebashing, endend anderthalb Seiten später mit der Klarstellung: „Sie kämpfen nicht für das Urheberrecht, sondern ein Profitschutzrecht.“ Ja. Meinetwegen. Klar. Logisch. Wofür denn sonst? Davon leben die Verwerter, da wird´s keinen wundern, dass sie sich mit Händen, Füßen und Klauen gegen Änderungen wehren. Applaus für Niggemeier, den Publikumsanwalt.
Aber … Hallo? Siehe oben. Neumann (und wir Künstler) meinen nicht „Bertelsmann-Warner-Emi“, wenn wir von „Urhebern“ oder „Wertschöpfern“ sprechen. Hinhören. Liste vergleichen (siehe oben). Künstler. Keine Freizeitbeschäftigung. Sondern Broterwerb. Existenzgrundlage. Und, ja, all dieses Existenzgrundlegende gestaltet sich im Verkehr mit den „Verwertern“ schwierig und immer schwieriger, denn natürlich versuchen die, was ihnen auf der Einnahmenseite entgeht, auf der Kostenseite zu streichen, also bei den – Herstellern. Sprich schon wieder: den Künstlern. („Sie möchten Ihren Anteil von 20% am e-book verhandeln?“ Lachen vom Band, ausklingend beim Weg in die Kneipe, ohne Vertrag).
Irgendwas fehlt. In der Wahrnehmung und erst recht in der Diskussion. Natürlich sind wir alle (auch wir Künstler in unserer besten Nebenrolle als „Publikum“) für den freien und kostenlosen Zugang zu allen Inhalten – aber wer bezahlt dann unsere Miete? Merkwürdig. Wie gründlich man diesen zentralen Punkt vergessen kann. Kongnitive Dissonanz? Oder schlicht kognitives Loch? Bei den „Piraten“ und anderen Parteien murmelt´s dazu irgendwas unter „FAQ ferner liefen“, quasi ergebnislos resp. mit einem „Mh, müssen wir auch mal drüber nachdenken“, ehe umgehend wieder die laut beklatschten Freibierparolen erklingen, und nun schließt sich auch Dr. Lieschen Müllers ehemaliges Nachrichtenmagazin als Verbraucheranwaltskanzlei an.
Noch mal für unters Kopfkissen: Wo bleiben die Künstler?
„Sollen doch sehen? Muss ja wohl reichen, dass die nicht arbeiten müssen!“ Na, eben. Aber dann schreibt das doch nicht zwischen den Zeilen, Spiegelpiraten, sondern oben drüber.
(Mich kratzt das eh nicht mehr, schließlich hab ich nicht nur Künstlergene, sondern auch unternehmerische. Deshalb lasse ich meine Romane zukünftig in China schreiben, senke so die Lohnstückkosten auf konkurrenzfähiges Niveau und erziele ab meinem nächsten Buch 6% mehr Gehalt. Mu-harr-harr! Das sind dann schon glatte 4 Euro pro Wertschöpferstunde, für praktisch keine Arbeit, sondern bloß Kunst!