„Wenn jemand einen „Klima-Thriller“ schreibt, was hat es für einen Sinn, darin Dinge zu prophezeien, die völlig überzogener Unsinn sind?“ – fragte mich unlängst eine verärgerte Dorita, und das ist eine sehr gute Frage. Oder: wäre. Denn es ist nicht der Autor, der im Rahmen der Prophezeiung Unsinn vorhersagt, es sind Romanfiguren – was nicht dasselbe ist. Merken. Wichtig. Was allerdings ums Eck zu der (mittels Romanfiguren aufgeworfenen) Frage führt: Welchen Sinn hat es, wenn in der Realität Wissenschaftler Dinge prophezeien, die völlig überzogener Unsinn sind? Keinen? Doch. Zum Beispiel „to scare the pants off people“, wie Björn Lomborg (s. u.) so schön dänisch sagt. Deshalb tun´s ja auch gewisse Gestalten in meinem: Roman. Aber nicht der Autor.
Weiter, Dori: „Vor allem aber, lieber Herr Böttcher, haben Sie nicht den blassesten Schimmer davon, wie Naturwissenschaftler arbeiten und miteinander umgehen, nämlich viel lockerer.“ Gut. Asche über mein schimmerloses Haupt. Forscher verraten einander ständig ungefragt, woran sie arbeiten und welche Fortschritte sie machen. Speziell Forscher, die nicht verbeamtet an einer Uni Reagenzgläser polieren, sondern für die Industrie arbeiten, tauschen sich ständig aus und geben allen Kollegen gern Auskunft, denn es gibt wenig oder gar keine wirtschaftlichen Interessen in der Forschung. Nur wissenschaftliche. Aber und erst recht drum: Die Rückkehr zu wissenschaftlichen Idealen abseits der Gewinnmaximierung ist von kolossaler Bedeutung für unsere Zukunft, wer da „locker“ arbeitet, schwänzt den falschen Beruf. Aber dass ich dem idealen Wissenschaftler ein Denkmal „ums Eck“ gesetzt habe, nicht als naives Loblied, das wäre mal ein berechtigter Vorwurf.
Noch was? „Und dass jeder jeden kennt durch die Publikationen und deshalb auch klar ist, wer was kann.“ Ja. Gut. Nein. Siehe oben sowie diverse, unter anderem – in diesem Zusammenhang – Henrik Svensmark. Der hatte ja, wie Sie wissen, große Probleme, unter all den lockeren Forschern überhaupt publiziert zu werden, weshalb lange keiner wusste, was er, Svensmark, weiß oder kann. Ein schöner Arte-Film über ihn ist „Das Geheimnis der Wolken“, und den gibt´s zum Beispiel hier. Wie? Ob´s da bitteschön noch mehr Beispiele gibt? Kollegen, die gar nicht veröffentlicht werden? Klimaforscher sogar? Und von denen wir gar nichts wissen? Da soll Ihnen doch mal noch ein paar von denen nennen, die keiner veröffentlicht und keiner kennt? Kurz nachgedacht: ginge das? Könnte ich? (Okay, ein paar von denen standen Anfang Januar im fiesen Verschwörerblatt Wall Street Journal, aber den Ausschnitt hab ich glatt verschlampt.)
„Und vor allem: Dass die Geheimhaltung von Forschung das absolute No-No ist.“ Na gut. Die Welt ist heil. Wir sind alle Brüder und Schwestern. Geheimnisse gibt es nicht. Schon gar nicht in der Forschung. Von NASA bis Pentagon, von Südkorea bis Iran: wir teilen alles. Und alles mit. So mag´s wohl sein; die Welt ist ganz Wahrnehmung und Vorstellung, und so sollen Doris und meine Meinung als Freude auseinandergehen. Aber eines bleibt dann doch als gemeinsam begriffen stehen: so ganz ohne Thrill und Plot neben den wirtschaftlichen, politischen und wissenschaftlichen Aspekten wäre die „Prophezeiung“ ein reines Sachbuch geworden, und das ist sie ja nun Gottlob nicht.
Sachlicher weiter, zu den frischen Weltklimagipfel-Empfehlungen: Björn Lomborg, rotes Tuch für alle, die „überzogenen Unsinn“ prophezeien, wäre garantiert auch den dazugehörigen Romanfiguren ein dicker Dorn im Auge (wie´s Lomborg in der Realität für den mächtigen Climate Blogger Joe Romm ist). Lomborgs Buch Cool it habe ich gelegentlich als passendes Gegengewicht zur gleichgeschalteten Meinung empfohlen, die bewegten Bilder dazu (gleicher Titel) gibt´s jetzt auf DVD, wenn auch leider nur beim US-Händler. Macht aber in allen Darreichungsformen großen Spaß und erfrischt das Gehirn.
Gleiches gilt für Peter Bycks Dokumentation Carbon Nation, die ebenso „grün“ wie ganz undramatisch amerikanisch daherkommt, nämlich naiv, zuversichtlich und anpackend im Sinne von Kennedys „Frag, was Du für Dein Land tun kannst“, nicht bloß zeternd und jammernd und das Welt- oder Wohlstandsende prophezeiend. Wie Lomborg erkennen Byck und die von ihm porträtierten Protagonisten explizit an, dass sich das Klima ändert, und betonen, dass wir umgehend einen neuen Weg einschlagen müssen. Allerdings nicht unbedingt den, auf dem man aufhört zu duschen, sondern jenen, der zu neuen Lösungen führt. Spannend, das.
In die gleiche Kerbe schlagen von links und daher vermutlich überraschend für Schlichtgestrickte der geschätze taz-Autor Peter Unfried sowie Hannes Koch und Bernhard Pötter mit ihrem frischen Stromwechsel (Westend Verlag, 14.99 €), einem schmalen Buch, das nachhaltig über status quo und Tellerrand hinausblickt, die richtigen Fragen und Feststellungen enthält und en passant Schluss macht mit der Legende, alle Kapitalisten seien „über“. Die Wahrheit liegt weder links noch rechts, sondern wie meist in der spannenden Mitte. Möge „Stromwechsel“ einen Beitrag leisten, dass wir dort noch heil ankommen.
P.S.: Ach so, Prophezeiung gibt´s ab morgen als Taschenbuch, für 9,99 €. Ist nicht schlecht geworden, sondern höchstens besser auf dem kurzen HC-Weg seit Februar 11, zudem kommen in der neuen Darreichungsform jetzt 89,7% der Einnahmen wohltätigen Zwecken zugute – also dem Erhalt der deutschen Kulturlandschaft, der Verlage und des Buchhandels. Von den verbleibenden 1.11 € unterstützt jeder Käufer mit 65 Cent die Pensionsversorgung verdienter deutscher Beamter und mit 56 Cent den Urheber des Werkes. Der hiermit im Namen aller Profiteure jedem Leser herzlich dankt, der dieses Opfer bringt, statt sich das Buch einfach von irgendwem zu leihen.