„Alexander Broichers Roman ist die zeitgenössische Antwort auf George Orwells 1984 – hochaktuell, unterhaltsam und auf der Höhe der Zeit“, ruft Frederic Beigbeder von der Rückseite von Fakebook (Heyne Hardcore). „Da haben Sie ein anderes Buch gelesen“, gestatte ich mir in memoriam Berti Vogts zu ergänzen, denn der Text, der sich unter dem Deckel verbarg, hatte wenig Gutes. Immerhin: kurz ist er, also vergeudet man nur 2 Stunden Zeit. Der Rest ist eine müde Idee (Loser erfindet ein cooles Facebook-Alter-Ego und ist plötzlich ein neuer cooler Mensch) nebst müder Ausführung (Loser hat eigentlich nix weiter vor mit seiner Coolness, als seinen doofen Job festzuhalten und die wahre Liebe zu finden), sprachlich bieder und ohne jeden Kontakt zu den durchaus großen und spannenden Fragen, die das wahre Facebook aufwirft. Am Ende bleibt die Erkenntnis: entweder kann Beigbeder sich keine guten Drogen mehr leisten, oder er meinte mit dem Vergleich eigentlich Cory Doctorows „Little Brother“. Nehmen wir zugunsten aller letzteres an.
Viel passender und wahrer ist, was auf der Klappe von Jess Wallers Beautiful Ruins steht. Nämlich zum Beispiel „A ridiculously talented writer“ (NYT). Stimmt. Sowie „An absolute Masterpiece“ (Ricahrd Russo). Stimmt auch. Oder „if you want anything more from a novel than Jess Waller gives you with Beautiful Ruins, you´re getting thrown out of the theatre“ (Daniel Handler). Recht so! Ich habe – sehr zum Leidwesen von Lektoren und Lesern – nur sehr selten das Gefühl, ich sollte das Bücherschreiben einfach lassen, weil es verdammt noch mal Autoren gibt, denen ich absolut nicht das Wasser reichen kann, aber nach der Lektüre von Beautiful Ruins bin ich doch wieder kurz davor. Dem Lob der Herren oben ist wenig hinzuzufügen, eine geeignete Inhaltsangabe findet sich garantiert bei den einschlägigen Händlern, und sobald ich weiß, wie das Buch (das bei Blessing erscheint, irgendwann) auf Deutsch heißen wird, reiche ich diese Information selbstredend nach. Bis dahin bleibt mir nur ein lautes: Lesen! Mit Kuli in der Hand, zum Anstreichen der scheinbaren Beiläufigkeiten in dieser 50 Jahre umspannenden Geschichte bildschöner Trümmerhaufen (die vorwiegend nicht aus Steinen sind, sondern aus Fleisch und Blut), Perlen wie (beliebig aufgelesen) „And what she loved about Lydias play: that it gets at the idea that true sacrifice is painless“. Hinreißend! Großartig! Famos!
Nicht lesen muss man hingegen James Sallis´ Driven. Kann man natürlich, denn es ist – wie der Vorgänger Driver – fein geschrieben, lakonisch, ohne jedes überflüssige Wort. Allerdings ist es auch annähernd das gleiche Buch. Was ja dann doch irgendwie überflüssig ist, eingedenk der Tatsache, dass in ein Gesamtleserleben nur zirka 5.000 Bücher passen.
Weshalb ich auch die Lektüre der Breach-Trilogie von Patrick Lee (The Breach / Ghost Country / Deep Sky) nicht dringend empfehle, denn obwohl auch Lee ein paar schicke Shouts auf den Jacketts hat, bleibt nach dem Weglegen der gut gemeinten Sci-Fi-Action wenig hängen, da Lee bei aller flotten Action erschütternd wenig zu sagen hat. Wer sich – wie yours truly – vom Versprechen leimen lässt, seine Trilogie könne mit Suarez´ Daemon/Darknet mithalten, sieht sich jedenfalls fundamental enttäuscht.
Zuletzt soll aber ausgerechnet die Technology Review sehr sachlich shouten dürfen, und zwar so: „Roboteraufstand, Überbevölkerung, Supervulkanausbrüche. Mit einer langen Liste von apokalyptischen Angeboten befriedigt der niederländische Wissenschaftsjournalist (Maarten) Keulemans die Lust an der Katastrophe, ohne dabei die wissenschaftliche Perspektive zu verlieren. Ein Datum (für den Weltuntergang) nennt er jedoch nicht.“ Das wäre ja auch noch schöner. Denn im Gegensatz zur Technology Review hat Keulemans Humor, und dann auch noch diesen schrägen, was sein (wissentlich falschlateinisch betiteltes) Exit Mundi (dtv) zu einem Marketingalptraum machen dürfte. Denn die Zielgruppe sind wissenschaftlich interessierte Menschen, die sich selbst nicht sonderlich ernst nehmen und keine Angst vor dem Tod haben, und da fällt mir doch auf Anhieb gleich mal exakt gar keiner ein. Falls aber dieser mir unbekannte Sympath hier mitliest, sei ihm Keulemans für zwischendurch ans Herz gelegt.