Nicht, dass ich das nicht mögen würde, neinnein, es soll ja gern alles ausgesprochen werden, benannt, erklärt, erörtert, „Lars muss auf den Würfel!“, damit bloß nix im Unklaren bleibt, aber müsste ich wählen zwischen der (sehr guten) 10 x 100 = 1000-Minuten-Dänenkrimi-Erzählung „Kommissarin Lund“ und den 24 x 40 = 960 Minuten der ersten „24“-Staffeln … ja. Schon klar, verräterische Kopfzeile.
Hingeschrieben ist´s aber noch viel schlimmer als gefilmt, dieses dauernde Alleserklären. Das Bestsellerbuch, das ich gerade auf Anraten eines geschätzten Kollegen las, nämlich „Der Mann, der kein Mörder war“ (von Hjorth & Rosenfeldt), umfasste beinahe 600 Seiten, und ausgelassen wurde da nichts. Zwar verzögert und mittels diverser Taschenspielertricks gelegentlich lang verschleiert, aber ausgelassen: nö. Nix. Nada. Vom Protagonisten weiß ich jetzt sogar, was er morgens bei der Unterhosenauswahl denkt (und warum), aber auch über die Backstorywunden jeder Nebenfigur bin ich vollständig informiert. Sowie über die Macken aller Verdächtigen, Angehörigen, Zeugen, Statisten. Und die des Täters. Auch hier: wieder mittels diverser dummer Tricks, denn Autoren, die auktorial erzählen, müssen sich ja doch fragen lassen, wieso sie zum Beispiel die Identität des Ihnen so bis ins Mark vertrauten Mörders nicht einfach verraten. (Was man ja durchaus tun kann. Sofern man das – eben – kann. Erzählen. Schreiben. Und so.) Gelungen ist jedenfalls mein Experiment, auf Seite 245 einfach mal ein paar Seiten zu überschlagen, nämlich weitere 245, und auf Seite 490 zu schauen, ob ich was verpasst habe. Hab ich nicht. Die Situation ist praktisch unverändert, die Erkenntnisse aus der Zwischenzeit passen in einen Absatz, wer also das ganze Buch liest, ist selber schuld. Ach, was, wer´s überhaupt liest, ist selber schuld.
Der Witz ist: es lässt sich auch ganz anders erzählen, ob mit oder ohne Bild. Qua Handeln. Show, don´t tell, nennt das der Nichtschwede, und Recht hat er. Unser Handeln sagt mehr über uns als unser Gelaber, und vor Autoren, die das wissen und in Schrift stellen sprich: das umsetzen können, ziehe ich all meine Mützen. James Sallis benötigte für die Hjorth&Rosenfeldt-Geschichte höchstens 150 Seiten und hätte am Ende trotzdem mehr über alle auftretenden Personen erzählt als der Doppelschwede. Denn die Motive von Menschen (ob echt oder aus Papier) erschließen sich durch deren Handeln im Kleinen, das ganze Romane en passant miterzählt, für uns, die Leser, die wir ja auch nicht erst gestern zur Welt gekommen sind und spüren, wissen, wie einer ist, der so wahlweise lautstark/wortkarg/laberig auftritt und gewisse Dinge tut oder lässt. Liefert der Erzähler uns obendrein auch noch zwei, drei gut gesetzte Informationen via Dialog oder einiger kurzer, bezeichnender Schilderungen, wissen wir sogar, wieso der oder die so ist …
Halt. Das stimmt nicht. Wir. Quatsch. „Wir“ lesen nicht Sallis oder Woodrell oben in die Bestsellerlisten, sondern Hjorth, Rosenfeldt, Adler, Larsson etc. pp. Und kucken „Tatort“. Und wollen dieses ganze Gelaber, bis zum Abwinken, bis zum Einschlafen. Weil „wir“ das wirklich alles sonst nicht schnallen, diese ganzen Dinge, die wir wissen könnten, wären wir generell wach und aufmerksam.
So gesehen. Nehme ich alles zurück. Bis auf´s Trotzige: Dicke Bücher mit nix drin und Hörspiele vor laufender Kamera kann jeder.