Gute Freunde sagen einem ja auch mal auf den Kopf zu, dass man z. B. irrelevantes Zeug redet oder schreibt. Ich mag meine guten Freude also weiterhin, auch und gerade wenn sie mich auffordern, endlich das bloggende „Künstlerdämmerungs“-Quengeln einzustellen. Denn selbst wenn „wir“ (= Deutschen) keine guten Serien können, auch weil unsere öffentlich-rechtlichen Sender das ganze Gebührengeld nur noch für Pensionäre bunkern, gibt es keinen Grund zur Klage. Außer für uns paar zunehmend unbezahlte Autoren, die gern zeitgemäßes Fernsehen machen würden und das sogar können. Resp. könnten. Aber dem Publikum und jedem Nicht-TV-Autor (also 81 Millionen minus zirka 400 Leute) kann das nun wahrlich komplett wurscht sein (erst recht dem polyglotten Teil des Publikums), denn dann exzellenten Serien herrscht ja absolut kein Mangel. So beende ich also das Nörgeln aus dem Nähkästchen, versprochen, weise aber dennoch sporadisch geheimtippend von Zuschauer zu Zuschauer auf Formate hin, die mir positiv untergekommen sind.
Zum Beispiel: Utopia. Die Kurzbeschreibung dürfte lauten „Donnie Darko trifft Neo in No Country for old men“, dazu werfe man eine größere Prise relevante Verschwörungstheorie – und fertig ist eine wirklich schicke 6-teilige erste Serienstaffel. Die Macher (created and written by Dennis Kelly) reizen unsere gestalterischen resp. videotechnischen Möglichkeiten aus, ihre dramaturgischen sowieso, und so kommt man in den Genuß von einer zwar wilden und FSK-18-gewalttätigen, aber auch verdammt stylishen und farblich satten Story. Inhaltlich nichts für Freunde von Tatort und CSI-Bergdoktor, denn es geht um fiese Wahrheiten in phantastischem Gewand – nämlich eine „Graphic Novel“, deren Schöpfer leider zu viel wußte über alltägliche Verschwörungen, insbesondere über die der Pharmaindustrie inklusive erfundener SARS-Vogelschweinegrippen sowie die traurige Rolle der Weltgesundheitsorganisation beim Pandemie-Panikmachen zum Nutzen der Impfstoffhersteller. Als Doku garantiert unsendbar, als Thriller mit phantastischen Elementen genau das richtige für Channel 4 – und schon freut sich der wache Konsument. (Nein, es gibt keine deutsche Fassung, wozu auch?)
Zum Beispiel: Spartacus. Blut ist zwar nicht „so meins“, aber übersteht man die ersten paar Episoden, ohne sich zu übergeben, gerät das ganze tatsächlich zu Shakespeare-2.0. Wer das zu früh eingestellte HBO-Format Rome mochte (wie ich), wird auch den Spartacus-Sex-Intrigen-Blut-Sumpf lieben. (Soweit ich weiß, strahlt sogar irgendein deutscher Sender grad die zweite Staffel aus).
Zum Beispiel: Banshee: Small Town, Big Secrets. HBO. FSK 18. 10 Folgen, grundsolide horizontale Dramaturgie, perfekt für´s „Binge-Watching“. Erinnert dezent an Justified (in Deutschland gefloppt, weil prima), ist allerdings noch etwas gewalttätiger, nackter und krimineller. Der Protagonist erschleicht sich nach 15 Jahren Knast und schwerem Trauma ausgerechnet einen Sheriff-Posten – in eben jenem Kaff, in dem sich seine Ex-Partnerin in einem bürgerlichen Leben versteckt (Mann und Kinder inklusive). Sie spielt unserem traurig-wilden Knackisheriff gegenüber falsch, logisch, obwohl sie ihn immer noch liebt; die angeblich direkt nach dem damaligen Bruch verschwundenen Diamanten befinden sich immer noch in ihrem Besitz, gesucht werden sie und der neue Sheriff vom damaligen Ex-Auftraggeber, einem wahrlich finsteren Typen, der überdies der Vater der falsch spielenden Diebin ist. Nun werfe man noch ein paar Mormonen mit Hormonen (bzw. pubertierenden Töchtern) in den Topf und dazu einen verstoßenen Mormonensohn (exzellent: Ulrich Thomsen), der nicht nur den Schlachthof betreibt, sondern auch das ganze Kaff inklusive der zuständigen Gerichte beherrscht, notfalls mit Motorsäge, und schon ahnt man, was so ein seelisch verletzter, zum Jähzorn neigender, aber früher mal grundguter Sheriff da alles anrichten kann. Schön ist das nicht. Aber immer eine unmoralische Gratwanderung. Und hochspannend.
Zum Beispiel: Real Humans. Schwedisch, 10 Teile. Wird (oder wurde?) in Deutschland gezeigt, von arte, weil´s vergleichsweise öde ist (wenn auch besser als alles, was wir produzieren). Die Grundidee ist gut (near future, wohlhabende Menschen besitzen menschenähnliche Androiden, einige von denen hauen vor der turnusmäßigen Löschung ab und üben Untergrund), die schauspielerischen Leistungen sind ebenfalls ansehnlich, nur die Dramaturgie ist ein bißchen arg banal. Wer´s ruhig und gediegen mag (Prädikat: besonders wertvoll) und gern auch mal vor dem Schirm einschläft, liegt hier aber genau richtig.
Zum Beispiel: An Idiot abroad. Karl Pilkington, Freund von Ricky Gervais und Steve Merchant, ist Stubenhocker und Reisefeind und wird von Ricky auf große Fahrten geschickt – ausdrücklich mit dem Ziel, Karl leiden zu sehen. Was dann auch geschieht, denn Pilkington ist überall falsch. Das Format (2 Staffeln je 6 Folgen) ist im besten Sinn ruppig und ganz und gar undeutsch. Bei uns geht bestenfalls Harro Füllgrabe, der tut niemand weh, nicht mal sich selbst. Meines Wissens zeigt kein deutscher Sender An Idiot abroad, aber meines Wissens wurden auch Gervais´/Merchants brillante Extras nirgendwo gezeigt. Lief The Office eigentlich? Nein? Weil man sonst Stromberg keinen Grimme-Preis hätte schenken können? Wohl wahr.
Zum Beispiel: The Untold History of the United States. An dieser Stelle bereits gelegentlich empfohlen, hatte ich das Ganze vor vier Wochen auch dem ZDF aufgedrängt (denn wozu kenne ich all diese großartig netten Damen aus der Zeitgeschichte-Redaktion)? Leider waren wir ein bißchen zu spät dran für die öffentlich-rechtliche Prime Time, denn n-tv war schneller. Oliver Stones 10 exzellente Dokumentarfilme laufen also ab 30. September jeweils montags um 20 Uhr auf dem falschen Sender, aber der richtige hat ja auch kein Geld für so was, aus den ganz oben genannten Gründen. Dem geneigten Zuschauer soll´s indes wurscht sein (und bei einer Doku kann man in Sachen Synchronisation ja auch nicht sooo viel falsch machen …)
P.S.: Und, ja, natürlich muss man House of Cards gesehen haben. Aber das ist ungefähr so ein Geheimtipp wie „esst jeden Tag Obst“.